Ein neues Kindschaftsrecht – eine bessere Zukunft für Kinder nach erlebter häuslicher Gewalt?

Aus der Erfahrung mit immer mehr langjährigen und kostenintensiven Obsorgeverfahren vor den Familiengerichten bei nicht einvernehmlichen Trennungen der Kindeseltern, in immer mehr Fällen nach häuslicher Gewalt (in jedweder Form) stolpere ich immer wieder über den Begriff Kindschaftsrecht und lese dann meistens – so wie auch im Konzept zur Reform des Kindschaftsrechts 2013 – dass das Recht des Vaters, einen intensiven Kontakt zu seinen Kindern zu haben, vorrangig (!) in Obsorgefällen zu behandeln und zu entscheiden ist. Und nicht nur das, es werden diesen Tendenzen auch wissenschaftliche Thesen unterlegt, die behaupten, dass dies alles nur im Interesse und zum Wohle der Kinder geschehe. Auch dann, wenn häusliche Gewalt zur Trennung der Eltern geführt hat.

Wir leben in einer Welt von geschlechterspezifischen patriarchalen Stereotypen, die unser Leben als Frauen und Mütter bestimmen und sogar strafrechtlich relevante Verhaltensweisen – wie Gewaltausübung (in jeder Form) an Frauen und Kindern – von Familienrichterinnen und -richtern, sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des rund um die Familiengerichte in Österreich aufgeblähten und undurchsichtigen Helfersystems (Verfahrensbeteiligte) einfach lieber negiert und tabuisiert, als den Opferschutzrechten folgend behandelt werden, sogar wenn diese von den Müttern und Kindern glaubhaft, sogar mit Beweisen untermauert vorgebracht wird.

Lieber sprechen diese am Rechtssystem Beteiligten immer und immer wieder von der wissenschaftlich zweifelhaften und in einigen Ländern bereits verbotenen Theorie des „Entfremdungssyndroms“ (parental alienation – PAS), das Mütter an den Tag legen würden, wenn sie häusliche Gewalt des Mannes und Vaters anzeigen und sich vom gewaltbereiten Kindesvater trennen. Sie würden dies nur aus einem Grund tun, nämlich um dem Vater die Kinder zu entziehen, zu entfremden.

Eine immer größer werdende Gruppe von klinisch-psychologischen GutachterInnen hat in den letzten Jahren auf diese Weise Müttern ihre „Erziehungsfähigkeit“ und danach auch große Teile der Betreuung ihrer Kinder entzogen. Und dies, obwohl der Begriff der Erziehungsfähigkeit ein unklarer Rechtsbegriff ist und eigentlich niemand genau und umfassend sagen kann, wie viele und welche Kriterien und Fähigkeiten wissenschaftlich eindeutig dahinter stehen.

So gab es in keinem dieser väterfreundlichen Gutachten – auch nach nachweisbarer häuslicher Gewalt, die es ja eigentlich aufgrund des Entfremdungssyndroms der Mütter gar nicht gibt (!) – auch nur den geringsten Zweifel daran, dass ausschließlich die Mütter die Kinder manipulieren, die Gewaltvorwürfe auf Basis deren psychischer Labilität beruhen und auch oft nur eingebildet seien, um die Kinder dem Vater zu entfremden.

Das, was Kindern heute im Rahmen solcher Obsorge-Verfahren in Österreich angetan wird, ist unvorstellbar, grausam und traumatisiert die Kinder zusätzlich noch einmal. Weil sie sehen und lernen, dass unsere Gesellschaft ihr Leiden und ihre Gewalterfahrungen nicht anerkennen, ja sogar als „nicht geschehen“ tabuisieren.

Wenn diese bedauernswerten Kinder gerichtlich sogar gezwungen werden, wieder zu dem Vater oft und regelmäßig in Form von Vaterkontakten mit Übernachtungen zurückzukehren, vor dessen Gewalt sie mit der Mutter geflohen sind, dann macht das nicht nur betroffen, sondern wütend!

Rekursgerichte, die dann Einsprüche gegen solche richterlichen Entscheidungen ablehnen (mit der Begründung wörtlich zitiert: „Das könne man den Kindern schon zumuten“) haben nichts aber auch gar nichts von Kinderrechten, Opferschutz und Kindeswohl verstanden, sie sind ebenfalls geschlechterspezifischen Vorurteilen, Erzählungen von den Entfremdungstendenzen der  Mütter und dem Stereotyp, es gäbe und gab keine häusliche Gewalt, das seien nur „Streitereien“, die in jeder Familie passieren würden, aufgesessen. Sie sind auch den seriös wissenschaftlich nie bewiesenen Behauptungen aufgesessen, dass Kinder unbedingt und unter allen Umständen (!) einen engen Kontakt zu ihren genetischen Vätern brauchen, weil es die beste Voraussetzung für ihre gedeihliche Entwicklung sei.

Und die Kinder, was sagen die zu der neuerlichen Gewalt, der sie nun durch die Behörden ausgesetzt sind, wenn sie gegen ihren eindeutig artikulierten Willen und nach eindeutig von ihnen definierten Gewalterfahrungen in überbordendem Ausmaß den gewaltbereiten Vätern zur „Obsorge“ übergeben werden??

Wenn diese Kinder von ihrem Recht Gebrauch machen, ihre Stellungnahmen in Form von Briefen gemeinsam mit einem Kinderbeistand an das Familiengericht zu übermitteln, wird reflexartig unterstellt, dies Briefe seien nicht autonom entstanden und mit größter Sicherheit habe die Mutter die Kinder zu ihren Aussagen manipuliert. Und somit geht’s mit richterlicher Anordnung neuerlich zurück zur schon voreingenommenen Gutachterin, die dann feststellen soll, ob die Aussagen dieser Kinder autonom zustande gekommen sind, ob sie sich nach einiger Zeit überhaupt noch an die Gewaltvorfälle erinnern könnten bzw. ob ihnen diese Erinnerung überhaupt gestattet wird!

Besonders erschütternd ist, dass Kinder nachweislich von dieser vom Gericht beauftragten Gutachterin im Rahmen der Befunderstellung zu vorangegangener häuslicher Gewalt ihre Gewalterlebnisse mit dem Täter-Vater von Angesicht zu Angesicht mit diesem – ohne irgendeinen Schutz durch eine Vertrauensperson – nochmals erzählen müssen. Und sehr nahe an einer Kindesmisshandlung liegt der Umstand, dass ein Mädchen (zum Zeitpunkt der Befragung 8 Jahre alt) im Rahmen der Befunderhebung bei einer Gutachterin freundlich“ aufgefordert wird, während dieser Befragung auf dem Schoß des Vaters zu sitzen. Es ist unvorstellbar, was diese Kinder nun wiederum an Angst erleben. Aussage einer Gutachterin im Rahmen der Befunderhebung und Interaktion mit dem Täter-Vater, als es die Gewalterlebnisse erzählt:

Was, du kannst dich nicht daran erinnern, wie die Möbel in eurer alten Wohnung gestanden sind, dann kannst du dich auch nicht erinnern, ob dich dort der Vater gehaut hat.“ Und gemeinsam mit dem Vater wird diesem Kind dann erklärt: „Du erinnerst dich falsch, das war gar nicht der Vater, das war deine Mutter, die dich gehaut hat!“

Gewalt durch Erwachsene, Herabwürdigung ihrer Aussagen und Einschüchterung durch das Ambiente unter welchen Umständen diese „Befragungen“ der Gutachterinnen passieren – das alles darf ungestraft passieren.

Eigentlich will das von allen im Familienrechtssystem Wirkenden niemand so wirklich hören, solche Berichte stören, das bringt die Routine der Tabuisierung der häuslichen Gewalt aus dem Gleichgewicht.

Die Kinderrechte existieren in Österreich zwar und sind sogar in der Verfassung verankert, aber wenn Mütter dre Aufforderung der Frauenschutz- der Gewaltschutzorganisationen folgen, sich und ihre Kinder nicht weiter der häuslichen Gewalt auszusetzen und sich von den Täter-Vätern trennen, schlägt unser Familienrechtssystem unbarmherzig zurück. Die Lobby jener, die den Behauptungen „es gibt keine Täter-Väter“ zustimmen, sondern es gibt hauptsächlich Mütter, die dem Vater mit allen Mitteln die Kinder entziehen wollen, ist groß, unendlich groß und reicht bis in unser Justizsystem hinein!

Ein Muster in den vielen familienrechtlichen Verfahren, die dramatischen Verläufe für Mütter und Kinder nach Trennung wegen häuslicher Gewalt ist derzeit in Österreich klar erkennbar:

  • Gewalt wird nur dann als solche in Obsorgeverfahren anerkannt, wenn sie unübersehbar und nicht mehr wegzuleugnen ist, also wenn sie schwere sichtbare äußere körperliche Verletzungen zur Folge hat. Alle anderen und ebenso verbotenen Formen von Gewalt – Schläge, seelische Gewalt, Psychoterror, psychische Gewalt, finanzielle ökonomische Gewalt und sexualisierte Gewalt – scheint es für das Familienrecht nicht zu geben. So sprach eine Richterin in der Verhandlung: „Ich kann das Gerede von der psychischen Gewalt nicht mehr hören“. Und diese Abwertung und Tabuisierung sowie Verharmlosung der Gewalt wird auch vom Helfersystem rund um die Gerichte übernommen. Häusliche Gewalterfahrungen werden als nicht relevant für die Zukunft der Vater-Kind Beziehung abgetan.
  • Täter-Väter schwimmen auf dieser Welle und finden in einigen – leider immer öfter – mangelhaft, subjektiv und nicht nachvollziehbar arbeitenden vom Gericht mit Gutachten zur Erziehungsfähigkeit beauftragten GutachterInnen geniale HelferInnen. Damit ist für diese Väter gewährleistet, dass ihr Leugnen, ihre Ahnungslosigkeit, ihre feste Meinung, selbst Opfer der Mütter zu sein, Kraft und Bestätigung bewirken.
  • Schon heute werden Kontaktregelungen in immer größerem Umfang gerade von den Täter-Vätern gefordert, weil sie damit erwirken möchten, keine (bei 50/50 Aufteilung der Betreuungszeiten und Kinder) bzw. zumindest eine stark reduzierte Unterhaltsverpflichtung gegenüber ihren Kindern zu erreichen. Mit Kalendern und intensiv ausgeklügeltem „Kinder Hin- und Herschiebe-System“ sitzen sie dann im Gerichtssaal und beantragen, dass sie eben aus reiner Liebe zu ihren Kindern, immer weitreichendere Obsorgezeiten zugesprochen bekommen, wohlwissend, dass sie damit ihre Unterhaltspflicht extrem reduzieren können. Der Unterhaltsrechner rechnet mit, wenn durch höhere Betreuungszeiten wieder ein paar Euro weniger für die Kinder zu zahlen sind!
  • Und die Kinder? Egal, die sind doch sowieso nur von der Mutter indoktriniert. Die wollen doch so gerne zu ihm – dem liebenden Täter-Vater -, der eigentlich ja auch nur ein bedauernswertes Opfer der mütterlichen Entfremdungssystematik ist!
  • Unter dem Strich ist es immer wieder das Leugnen der Gewalt, die Furcht des Rechtssystems und die seit langem gut vorbereiteten Mythen und Narrative über die Entfremdungstheorien durch Mütter, sich solchen leugnenden Vätern entgegenzusetzen, sowie die Unterstützung eines nicht aufeinander abgestimmten Helfersystems rund um die Gerichte, die das derzeitige Unrecht, das vielerorts an Familiengerichten passiert, zulassen.
  • Wie es den betroffenen Müttern und Kindern damit geht – scheint nicht interessant, weil die sowieso alle lügen! Und wenn dann eine Mutter durch die vom Gericht erzwungene höhere Anzahl an Vaterkontakten und damit verbunden durch eine radikale Schmälerung der Unterhaltszahlung in eine finanzielle Schieflage kommt, kann man ja immer noch dem finanziell potenteren Vater die Kinder zur Hauptbetreuung überlasen!
  • Und damit enden jahrelange, mit hohen Kosten und Kreditaufnahmen verbundene Obsorgeverfahren für Mütter oft darin, dass sie unter dem Druck und Androhung aller möglicher negativen Konsequenzen für sie und die Kinder nachgeben und Betreuungsmodellen zustimmen, die in keinerlei Relation zu den Wünschen, den Bedürfnissen der Kinder und dem, was im Sinne von Opferschutz, Kinderrechte und Kindeswohl ihnen zustehen und zuträglich wäre, stehen. „Wenn sie sich nicht einigen, kann ich ihnen auch die Kinder wegnehmen“ eine Richterin zur Kindesmutter, als diese nur langsam anbahnende Vaterkontakte zulassen wollte und eine verpflichtende Väterberatung parallel dazu wollte.

Und was hat das Konzeptpapier für ein neues Kindschaftsrecht damit zu tun?

Weite Teile des neuen nun im Konzeptentwurf vorliegenden Gesetzesvorhaben, das von der zuständigen Bundesministerin als ein „feministischer Entwurf“ bezeichnet wurde, regeln nun als große Errungenschaft das, was die Lobby der „Väterrechtler“ im Fall einer Trennung (auch nach aufgezeigter häuslicher Gewalt) wollen. Nämlich über eine – von allen vorliegenden Problemen losgelöste – Ausweitung gesetzlich angeordneter Anzahl an väterlicher Kinder-Betreuungszeiten, einer tiefgehenden Schwächung der Position der bisher hauptbetreuenden Mütter, einer Tendenz zur ökonomischen Unterdrückung dieser. Und dies letztendlich alles, um möglichst viel an väterlicher Unterhaltszahlungen für die Kinder einsparen zu können.

Diese Tendenz ist so eindeutig und klar aus den vorliegenden Eckpunkten der zukünftigen Gesetzesteile im Konzept herauszulesen und schlicht und einfach nicht wegzuleugnen, insbesondere dann, wenn man sich die Mühe macht, die vielen einzelnen Punkte des Konzeptpapiers, die als Begründung für dieses und jenes angeführt sind, genau zu lesen und zu analysieren und zu einem Ganzen zusammenzuführen.

Es bleibt am Ende, was es ist. Ein sogenanntes „Kindschaftsrecht“, das einzig und allein den Sinn hat, die Rechte der Erwachsenen, hauptsächlich des männlichen Elternteils der Kinder zu regeln. Ein kleiner und im Gesamten verschwindender darin befindlicher Hinweis zu Gewalt in der Familie ist hier nicht einmal ein Tropfen auf dem heißen Stein!

Dieses neue Reformvorhaben regelt also in weiten Teilen, was Müttern und Kindern maximal aus Sicht des Gesetzgebers „zusteht oder zustehen darf“, besonders dann, wenn sie den Mut haben, sich von Vätern zu trennen, die gewaltbereit sind.

Es regelt auf Basis einiger wissenschaftlicher Erkenntnisse aus wenigen und teils veralteten psychologischen Wissenschaftsrichtungen, was Kindern heute im 21. Jahrhundert und in einer demokratischen und offenen Gesellschaft an Wünschen vom Staat zugestanden wird. Es regelt, das, was sich Juristen und Legisten in ihrer eigenen Ideologie an vorgegebenen Notwendigkeiten für eine gedeihliche Entwicklung der Kinder vorstellen, auch im Fall einer Trennung der Eltern.

Und jedenfalls regelt es und gibt vor, dass ein Kind heute bis auf die Minute ausgerechnete gleiche Zeitteile für den genetischen Vater und die Mutter zur gedeihlichen Entwicklung braucht – in jedem Fall. Kontrolle der Qualität der Betreuung – unwichtig, ja sogar unmöglich, wenn diese auch an Dritte ausgelagert werden kann, wenn der Vater, um seine Unterhaltzahlungen zu kürzen, vor Gericht erreicht hat, dass ihm eine hohe Betreuungszeit für die Kinder zugesprochen wird, die mit seinem Beruf gar nicht durchführbar ist. Da ist es doch viel besser – so der den Kinderrechten verpflichtete Gesetzgeber – einen Weg über Drittpersonen, die die Kinder betreuen, zu gehen, als einer Mutter, die aufgrund ihrer Arbeitszeiten ausreichend Betreuungszeit zur Verfügung hätte, in dieser Zeit die Kinder zu überlassen.

Allein in der Betrachtung der wissenschaftlichen Thesen in diesem Konzept, zu dem, was kindgerecht ist, was Kinder wollen, was Kinder brauchen, hat sich die kinderpsychologische Wissenschaft in den letzten 30 Jahren überschlagen mit Theorien, die beeinflusst waren (und oft bis heute sind) von gesellschaftlichen Ideologien (vgl. PAS-Syndrom).

Die Triangulation „Vater-Mutter-Kind“, das Hervorheben eines für die Entwicklung eines Kindes unabdingbaren anwesenden genetischen Vaters, auch wenn dieser gewaltbereit gegen Mutter und Kinder war und ist, ist bedeutungsvoll. Da nutzt es wenig mit neuen semantischen Begriffen wie „geteilte Elternschaft“ im neuen Gesetz diese grundsätzliche Haltung zur Vater-Mutter-Kind-These zu überdecken.

In unserer offenen Gesellschaft, in einer Gesellschaft, wo es bereits viele und verschiedene andere funktionierende und gesetzlich anerkannte Familienformen gibt, als Maßstab aller Dinge den genetischen Vater (auch wenn sich dieser bisher weder um die Kinder gekümmert hat oder sogar gewalttätig gegen Mutter und Kinder war) dahingehend zu manifestieren, dass Kinder nur durch den engen Kontakt mit diesem glücklich und zufrieden aufwachsen und sich entwickeln können, lässt viele Betroffene sprachlos zurück.

Wir selbst – als Gesellschaft – tun doch derzeit alles dazu, dass Gewalt gegen Frauen und Kinder (in welcher Form auch immer – das heißt seelisch, psychisch, sexuell, ökonomisch und körperlich) nicht toleriert wird. Wir tun alles dazu, den Frauen zu raten, sie sollen sich von solchen Männern und Vätern trennen, um auch im Besonderen die Kinder zu schützen. Aber dann? Was sieht der Konzeptentwurf dazu vor, wenn Frauen sich trennen, Männer Gerichtsverfahren zur Obsorge und Unterhalt starten, insbesondere nach häuslicher Gewalt? 

Zu wenig, bis gar nichts – denn es wird nicht auf die heutigen dramatischen negativen Tendenzen für Mütter und Kinder nach häuslicher Gewalt in der Umsetzung des Familienrechts Rücksicht genommen, sondern es werden weitere Eskalationssteine eingebaut. Denn was derzeit an den Familiengerichten im Falle von Trennungen der Mütter und Kinder nach häuslicher Gewalt passiert, hat in den meisten Fällen gar nichts mehr mit Kinderschutz, Opferschutz, und dem Recht der Kinder auf eine sie schonende Vorgehensweise zu tun.

Chaotische Zustände werden verlängert, wenn weiterhin nicht abgesprochene und ohne jeden Untersuchungsplan (für jeden Einzelfall), sowie ohne Qualitätskontrolle agierende vom Gericht beauftragte Verfahrensbeteiligte (Familiengerichtshilfe, Jugendamt, GutachterInnen, ErziehungsberaterInnen, ElternberaterInnen, MediatorInnen…) in Obsorgeverfahren nach häuslicher Gewalt, die Verharmlosung der Gewalt vorantreiben können. Das macht auch in Zukunft die Opfer hilflos und lässt zu, dass die eigentlichen Täter als Opfer (der Mütter) agieren dürfen.

Chaotische Zustände werden verlängert, wenn der Gesetzgeber nicht einschreitet, wenn ein überbordendes, für die Betroffenen oft finanziell ruinierendes Gutachter(un)wesen, in immer mehr Fällen weit von Wissenschaftlichkeit, Objektivität und Nachvollziehbarkeit entfernt vernichtende Urteile über die „Erziehungsfähigkeit“ jener Mütter, die Gewalt aufgezeigt haben, als gerichtliche Beweise abgeben darf und somit tief in das weitere Leben von Müttern und Kindern extrem belastend und negativ eingreifen darf.

Ein vom Gericht aufgetragenes Gutachten kostet bis zu 14.000.- EURO und es werden von mehreren verschiedenen RichterInnen oft mehrere Gutachten in Auftrag gegeben, die von Vater und Mutter zu gleichen Teilen zu bezahlen sind! Qualitätskontrolle, Einhaltung der Richtlinien zur Erstellung von klinisch-psychologischen sichtbar mangelhaften Gutachten – niemand fühlt sich dafür zuständig.

Heute verweist das BM für Justiz bei Nachfrage einer Qualitätskontrolle bei sichtbar mangelhaften Gutachten auf die Landesgerichte für Zivilrechtssachen, weil diese für die Bestellung von GutachterInnen zuständig sind, das BM für Gesundheit, das für die klinisch-psychologischen GutachterInnen ressortmässig verantwortlich ist, verweist auf die Landesgerichte zwecks Qualitätskontrolle und das Landesgericht für Zivilrechtssachen verweist letztendlich auf die RichterInnen in ihrer Entscheidungs – und Kontrollkompetenz.

RicherInnen in einer Verantwortung für die Kontrolle von Gutachten, die sie mangels persönlicher psychologisch – wissenschaftlicher Fachkenntnisse in Auftrag gegeben haben? Ich frage mich, wie kann eine Richterin, die aus Mangel psychologisch fachlicher Expertise eine solche Expertise einholt, die erfragte fachwissenschaftliche und fachspezifische Qualität dann plötzlich kontrollieren?

Untragbare Zustände, die auf uns alle warten, wenn diese Reform des Kindschaftsrechts mit einer – wenn auch in legistischen Klauseln versteckten – rechtlich angeordneten „AufTEILUNG“ der Kinder („idealerweise“ gleich zu 50% und 50%) zwischen Mutter und genetischem Vater droht. Wo „teilt“ man denn diese Kinder? In der Höhe des Bauchnabels, im Brustbereich, unterhalb der Knie???? Nein man zerteilt ihre Seele, ihr Herz und fügt ihnen mit solchen – sie in ihrer Integrität missachtenden staatlich verordneten Zwangsbeglückungen von Vaterkontakten, sogar, wenn die Väter eine grundlegende Gewaltbereitschaft zeigen, immensen Schaden für ihr gesamtes Leben zu und zwar mit Hilfe eines gesetzlichen Auftrags.

Untragbare Zustände sind zu erwarten, wenn eine Reform des Kindschaftsrechts vorgibt, dass Väter immer und in jedem Fall mehr und noch mehr Betreuungszeiten zu ihren – vor der Trennung oft wenig von ihnen betreuten, behüteten und oft sogar von ihnen misshandelten – Kindern bekommen sollen, wenn sogar in mathematischen Rechenbeispielen im Gesetz aufgezeigt wird, wie und durch welche Betreuungszeiten Väter ihre Unterhaltsleistungen reduzieren können. Das wird der ursprünglichen Bedeutung von Kindschaft und den geltenden Kinderrechten nicht mehr gerecht.

Gibt es für das Thema Kindesunterhalt keine anderen Lösungen – in einer Zeit wo immer und überall staatliche Hilfe über viele ausgeschüttet wird? Kann der Kindesunterhalt nicht endlich abgekoppelt werden von Betreuungszeiten der Väter? Warum baut ein Gesetz derart immensen ökonomischen Druck auf Kinder auf, die einzig und allein davon betroffen sind und dies alles dann ausbaden müssen?

Wir, in den Gewaltschutz und Frauenschutzorganisationen werden nicht ruhen, bis Kinder und deren Mütter nach Trennungen von Vätern – insbesondere nach häuslicher Gewalt – durch den Gesetzgeber auch nach der Trennung weiterhin vor der Gewalt und insbesondere vor der in Obsorgeverfahren immer stärker spürbaren systemischen Gewalt durch ein Familienrechtssystem, ausreichend geschützt sind.

Was heute mit den Kindern und jungen Jugendlichen in der Umsetzung des Kindschaftsrechts nach häuslicher Gewalt passiert, möge zitiert aus einer Stellungnahme eines 12jährigen Mädchens an das Familiengericht nach einem fünf Jahre dauernden, schrecklichen und mit sieben Richterwechseln zusätzlich belasteten Obsorgeverfahrens allen zu denken geben:

Auszug aus dem Original:

„…. lch glaube, es ist unberechenbar, was der Richter tut. Da entscheidet ein Richter über das Leben von mir und meiner Schwester. Das finde ich blöd und unfair. lch habe große Angst, dass der Richter entscheiden könnte, dass ich ganz bei meinem Vater wohnen muss oder es wieder eine 50:50 gibt. Das wäre schrecklich und furchtbar und das Schlimmste was mir passieren könnte. lch fände es besser, wenn ich selber darüber entscheiden könnte, wie viel Kontakt ich zu meinen Eltern habe, bevor ich 14 bin.

Ich weiß gar nicht wie Sie, liebe Richterin, zu Entscheidungen kommen.

Das alles ist sehr belastend, frustrierend, anstrengend und nervig. lch fühle mich hoffnungslos, wütend, verletzt, hasserfüllt, überfordert und traurig. Habt ihr das gewusst? Wollt ihr, dass es mir so geht?

Das Ganze geht schon seit ich 7 bin und meine Schwester 4 ist. Es wird enden, wenn ich 17 bin, weil dann ist meine Schwester 14. Und dann ist meine Kindheit ruiniert. Wieso musste es von den Milliarden Menschen auf der Welt mich treffen? Vielleicht ist es Schicksal. Den schlimmsten Teil meines Lebens habe ich dann schon hinter mir.“

Ich ersuche Sie Frau Bundesministerin daher:

  • Schauen Sie genau hin, was an Familiengerichten und dem gesamten dazugehörenden Helfersystem heute nach der Trennung und dem Aufzeigen von häuslicher Gewalt mit Kindern und Müttern ebendort passiert.
  • Schauen Sie genau hin, wen Mythen und Narrative, denen immer mehr FamilienrichterInnen rund um Trennungen nach häuslicher Gewalt verfallen, die Rechtssprechung in diesem Staate dann sonderbare und für die betroffenen Mütter und Kinder erneut traumatisierende Wege geht.
  • Schauen Sie bitte genau hin, wenn Obsorgeverfahren über viele Jahre dauern, die betroffenen an den Rand des finanziellen Ruins bringen und mehrmalige bis zu sieben und acht Richterwechsel eine saubere und objektive Verfahrensführung und darauf basierende richterliche Entscheidungen verunmöglichen.
  • Und schauen Sie bitte genau hin, wenn Frauen nach solchen Trennungen wegen häuslicher Gewalt der Väter von FamilienrichterInnen 80 und mehr Erziehungsberatungsstunden verordnet bekommen, jedoch die Täter-Väter nicht einmal ein einziges Mal zu einer Väterberatung müssen, obwohl sie weiterhin gewaltbereit sind. Hier eine triumphierende Aussage eines solchen Vaters zitiert, nachdem ihm das Gericht umfangreiche Kontakte mit Übernachtungen ausgesprochen hat: „Ich habe mich nie geändert, bin immer noch gleich geblieben wir früher, ich habe keine einzige Stunde eine Väterberatung oder ähnliches absolviert und nun bekomme ich die Kinder zugesprochen, so wie ich es wollte.
  • Schauen sie genau hin, wie Kinder leiden unter dem Druck etwas zu müssen, was sie aus Angst und im Hinblick auf das Erleben von Gewalt nun erdulden müssen, wenn Täter-Väter jede Menge an unbegleiteten und unkontrollierten Kontakten zugesprochen bekommen, um in erster Linie ihre Unterhaltszahlungen reduzieren zu können.

Sehr geehrte Frau Bundesministerin, ich ersuche Sie auch dringend:

  • bevor das neue Gesetz zum Kindschaftsrecht in Begutachtung geht, das bestehende zu evaluieren, was im Sinne dieses Gesetzes an den Familiengerichten passiert (insbesondere nach häuslicher Gewalt),
  • in der Zeit, die eine solche Evaluation braucht, an einem umfassenden Qualitätssicherungssystem für familiengerichtliche Verfahren und insbesondere für die vielen gesetzlichen Verfahrensbeteiligten zu arbeiten,
  • eindeutig definierte Kontrollorgane für diese Qualitätssicherung zu beauftragen und insbesondere bei klinisch-psychologischen Gutachten eine ausreichende Qualitätsschiene einzuziehen, sowie den GutachterInnen klar zu machen, dass auch sie sehr wohl dem Schutz und den Rechten der Kinder in der Befundaufnahme verpflichtet sind und jedwede erlebte Gewalt an ihnen in ihre Gutachten auch einfließen müssen,
  • auseichende Schulungen zu häuslicher Gewalt und dem Umgang mit dieser in den familiengerichtlichen Verfahren allen Verfahrensbeteiligten vorzuschreiben,
  • diese Schulungen national und international auszuschreiben und diese nicht in einem bisher gepflegten Automatismus einigen wenigen Organisationen ohne ausreichende Ausschreibungsgrundlage und externe Qualitätskontrolle anzuvertrauen,
  • im neuen Kindschaftsrecht zum Schutz der Kinder zu verankern, dass Mehrfachbefragungen von Kindern in einem Verfahren aus Opferschutz- und Kinderrechtsgründen verboten sind
  • und zu bestimmen, dass nur ein von Eltern zu geteilter Hand zu bezahlendes gerichtlich beauftragtes klinisch-psychologisches Gutachten (die ja bis zu 14.000.- EURO kosten) pro Verfahren zugelassen wird,
  • die Unterhaltsdebatte nicht auf den Köpfen und zu Lasten der Kinder und Mütter über nicht nachvollziehbare Betreuungszeitenregelungen ausgetragen wird, weil es der einfachste Weg ist, die Väterrechtler, die Sie deswegen bestürmen, zufrieden zu stellen, sondern Wege zu suchen, eine sinnvolle Abkoppelung von Kinderbetreuung und Obsorge zu erwirken (insbesondere dann, wenn häusliche Gewalt zur Trennung geführt hat),
  • Familienrechtsverfahren auf eine maximale Länge von zwei Jahren zu begrenzen und
  • keinen mehrmaligen Richterwechsel zuzulassen – wer ein solches schwieriges Verfahren nach häuslicher Gewalt übernimmt, sollte es auch beenden können.

Die Autorin:

Prof. Dr. Dagmar Hackl, MEd, ist Mutter von drei Töchtern und Großmutter von acht Enkelkindern. Sie hat Pädagogik und Erziehungswissenschaften an den Universitäten Wien und Innsbruck studiert. Ihr Masterstudium hat sie in Großbritannien in Master of Education abgelegt. Danach folgte eine Ausbildung zur Personalentwicklung und Potentialanalysen in Florida, USA.

Sie arbeitete als Grund und Mittelschullehrerin. In den USA war sie fünf Jahre in einer weltweit tätigen Personalberatungsfirma als Spezialistin für Assessment Center, Personalentwicklung und Arbeitsplatz-Potentialanalysen tätig. Sie war Leiterin der Abteilung für Lehrer*innenbildung im Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft. Zuletzt war sie als Gründungsrektorin und Rektorin der Pädagogischen Hochschule Wien tätig.

Sie ist derzeit im Ruhestand und Mitglied von FEM.A und AÖF. Als ehrenamtliche Mitarbeiterin von FEM.A ist sie als Spezialistin für Gutachten im Pflegschaftsverfahren höchst aktiv.

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