Text von Kaltrina Berani, alleinerziehende Mutter von zwei Kindern
Man sieht sie an Spielplätzen, voll bepackt mit Snacks, Getränken, Reservekleidung, Taschentüchern, Feuchttüchern und einem kleinen Erste-Hilfe-Kästchen….wie sie ihren Kindern glücklich beim Spielen zusehen und ganz viele Fotos und Videos machen.
Man sieht sie, wie sie ihren Kindern bei Fußballspielen, Basketballspielen, Tanzaufführungen, Theateraufführungen oder einfach bei Trainings von der Bank aus zujubeln und mitfiebern.
Man sieht sie in Frei- oder Hallenbädern vollbepackt mit allerlei Spielkram, wie sie lachend ihren Kindern beim Schwimmen, Springen, Rutschen und Planschen zusehen.
Man sieht sie in Warteräumen von Ärzten wie sie glücklich und lachend mit ihren Kindern spielen, ihnen etwas vorlesen und sie dauerhaft beschäftigen…da Wartezeiten bei Ärzten für Kinder sehr lange sein können… besonders wenn sie krank sind.
Man sieht sie im Winter, wie sie mit ihren Kindern Schlitten fahren, Eislaufen und Schneemänner bauen. Manchmal sieht man sie, wie sie ihre Kinder auf Schlitten bis zum Kindergarten ziehen.
Man sieht sie zur Weihnachtszeit, wie sie glücklich und zufrieden die Wohnung liebevoll dekorieren. Wie sie mit ihren Kindern Weihnachtskekse backen und manchmal erwischt man sie, wie sie die Geschenke unterm Baum verstecken, während die Kinder schlafen.
Man sieht sie, wie sie nachts heimlich ins Kinderzimmer schleichen und den Zahn unterm Polster gegen ein Geschenk austauschen. Oder wie sie die Sorgen, die die Kinder in ihren Sorgenfressern versteckt haben, verschwinden lassen.
Man sieht, wie sie ihre Kinder liebevoll trösten, wenn sie gefallen sind. Da gibt’s dann Umarmungen, Streicheleinheiten, Küsse, liebevolle Wörter und Pflaster mit den Lieblingsmotiven der Kinder.
Überall sitzen oder stehen sie da, wie Säulen halten sie alles zusammen…mit einem Lächeln im Gesicht.
Aber was geht in ihren Köpfen vor?
Was in ihren Herzen?
Wer sieht was gedacht oder gefühlt wird?
Man sieht nicht, wie sie versucht haben, die Arzttermine an Nachmittagen zu bekommen, damit sie sich nicht wieder frei nehmen müssen. Man sieht die Blicke vom Chef oder von den Kollegen nicht. Man sieht auch nicht, wie ihnen ein Vortrag gehalten wird, dass man eine verlässliche Arbeiterin braucht und man hört den Satz „deshalb sollte man keine Mütter anstellen“ nicht.
Man sieht auch nicht, dass während sie an Spielplätzen sind, überlegen was sie kochen oder wie sie im Kopf berechnen, wie lange sie ihre Kinder noch spielen lassen können bevor es zu spät zum Essen, Duschen, Zähneputzen, Gute-Nacht-Geschichten vorlesen, Kuscheln und Kitzelmama-Spielen bleibt.
Falls sie sich verrechnet, kann es sein, dass das Kind viel zu müde ist…für alles und nur noch Geschrei folgt, bis es schließlich eingeschlafen ist.
Man sieht auch nicht, wie ihre Knie und Rücken schmerzen und wie das Badezimmer aussieht, während sie ihren Kindern genug Zeit zum Spielen in der Badewanne gönnen.
Man sieht in den Warteräumen von Ärzten die Angst und Unsicherheit in ihren Gesichtern nicht. Man sieht nicht wie sie sich von den anderen Menschen im Raum beobachtet und verurteilt fühlen, weil ihre Kinder vielleicht zu hyperaktiv oder laut sind…ihr wollt gar nicht wissen, was in einer Mutter vorgeht, wenn ihr Kind an einem „unpassenden“ Ort in einem Tamtam ausbricht.
Man sieht die endlos langen Gedanken darüber, was gekocht werden soll, nicht. Und man sieht ihnen die Enttäuschung im Gesicht nicht an, wenn es nicht gegessen wird und die Küche zum x-ten Mal an dem Tag wieder aussieht wie Sau.
Man sieht nicht, wie sie ihre Kinder mit so viel Liebe und Stolz ansehen und innerlich gleichzeitig eine Traurigkeit sie übermannt, weil der Kindsvater nicht einmal zur Unterstützung seiner Kinder bei wichtigen Auftritten, auftaucht.
Man sieht nicht, wie sie jedes Mal, wenn ihre Kinder rausgehen, sie viel Angst und sorgen in sich tragen. Unbewusst und bewusst beten sie, dass ihren Kindern nichts passiert.
Man sieht nicht wie sie unauffällig, dass Geld in ihrer Geldtasche zählen, damit sie bei der Kassa keine Peinlichkeit erleben…oder wie sie nachrechnen, ob sie noch was Süßes kaufen können.
Man sieht nicht, wie sie kreativ werden und die Zeit beim Zwiebel schneiden, fürs kurze unauffällige Weinen nutzen…
Oder wie sie sich unter der Dusche verstecken, um lautlos zu schreien…
Oder wie sie nachts, wenn alle schlafen, sie sich in den Schlaf weinen…oder sie sich gegen ihren eigenen Kopf schlagen, damit die Sorgen und Gedanken endlich Ruhe geben und sie einschlafen können.
Ein nie endender Alltag, denn als Mutter endet deine Arbeit nicht, wenn du vom Job nach Hause kommst…da gehts dann einfach weiter mit den unbezahlten und ungesehenen Tätigkeiten.
Trotz der ganzen Depressionen, Angstzuständen, Panikattacken, Versagensängsten, Existenzängsten, Burnout und vieles mehr…tun sie all diese Dinge als Mutter mit bedingungsloser Liebe und Hingabe.
Sie kämpfen jeden Tag gegen den Druck der Gesellschaft an, denn als Mutter hast du in diesem System zu funktionieren.
Am besten noch aussehen wie ein Model, kochen wie Jamie Oliver, lächeln wie aus einer Zahnpasta-Werbung…ah ja Karrierefrau wäre auch wichtig und immer bereit für andere da zu sein.
Aber ja…hinter den Kulissen will keiner schauen, denn dann würde mehreren auffallen, dass Mütter dennoch irgendwie für die Gesellschaft weniger wert sind als ein Mann.
Über die Autorin:

Kaltrina Berani kommt ursprünglich aus dem Kosovo, ist siebenunddreißig Jahre alt und alleinerziehende Mutter von zwei Teenagern. Sie schreibt seit mehreren Jahren. Bis jetzt hat sie sich nicht getraut mit ihren Texten an die Öffentlichkeit zu gehen, eine Tatsache, die sie jetzt ändern möchte. Ihr Ziel ist es, durch die Veröffentlichung ihrer Texte die Aufmerksamkeit auf Themen wie Alleinerziehen, Gewalt gegen Frauen, Narzissmus und die berufliche und finanzielle Situation von Alleinerzieherinnen zu lenken.
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