PAS und andere Mythen ohne Evidenzbasierung

Fachtermini aus Medizin und Psychologie als Plädierformeln im Recht

Dr. Ulrike Altendorfer-Kling, Salzburg/Dr. Andrea Kliemann, Vechta/Prof. Dr. Jörg M. Fegert, Ulm

Aufsatz im FF forum familienrecht 3/2024

1. Einleitung

Seit mindestens 30 Jahren wird bei Gerichtsverhandlungen in Sorge- und Umgangsrechtsverfahren mit der „Pseudo-Diag­ nose PAS” (Parental Alienation Syndrome) oder „Eltern-Kind­ Entfremdungssyndrom” auch im deutschen Sprachraum argu­ mentiert und häufig wird die Existenz dieser Diagnose nicht hinterfragt. 2 Elternteilen, meist Müttern, wird damit von Sachverständigen in deren Gutachten bescheinigt. sie zeigten ,.fehlende Bindungs­ toleranz” und würden „emotionalen Missbrauch” betreiben. in­ folgedessen wurden bereits mehrfach Kinder und Jugendliche gegen ihren Willen zu Besuchen mit dem abgelehnten Elternteil gezwungen. Es wurde dem sorgeberechtigten Elternteil die Erziehungsfähigkeit abgesprochen und dem abgelehnten El­ ternteil zugesprochen, obwohl in manchen Fällen der Verdacht auf Misshandlung durch den abgelehnten Elternteil bestand oder sogar Verurteilungen gegen den Elternteil vorlagen, dem das Kind zugesprochen wurde.

Dieser Beitrag zeigt die aktuelle Situation in der österrei­ chischen und deutschen Rechtsprechung und unterstreicht. dass es keine Situationen gibt, in denen der Kindeswille über­ gangen werden darf, weil er angeblich manipuliert wurde. Stets ist das Kindeswohl die zu beachtende zentrale Maxime in diesen Verfahren.

Der 3. GREVI0 Bericht zeigt aufgrund verschiedener Studien, dass Behauptungen von Parental Alienation genutzt wurden, um Vorwürfe häuslicher Gewalt und sexuellen Missbrauchs zu negieren und dass in einer Vielzahl von Fällen, in denen es Hinweise auf das Vorliegen von häuslicher Gewalt gab, diese “Befürchtungen” verschwanden, sobald in den familienrecht­lichen Verfahren der Fokus auf das Konzept der Eltern-Kind­ Entfremdung gelegt wurde.

Die angebliche Diagnose „PAS” (Parental Alienation Syndrome) ist zwar als Plädierformel gebräuchlich, wissenschaftlich aber höchst umstritten. Ihre angeblichen Diagnosel<riterien, ent­ sprechende Einteilungen und Schweregrade sind nicht empi­ risch abgesichert, weshalb im Folgenden auch von Pseudo­ diagnose und Pseudosyndrom gesprochen wird. […]

Autor*innen:

Dr. Ulrilke Altendorfer-Kling, Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapeutische Medizin, Ärztliche Leitung der Kinder-Jugend-Seelenhilfe, Salzburg/Dr.

Andrea Kliemann, Verwal­tungsprofessorin Recht der Sozialen Dienstleistungen, Universität Vechta, Mitglied des com.can – Kompetenzzentrum Kinderschutz in der Medizin Baden-Württemberg

Prof. Dr. Jörg M. Fegert, Facharzt für Kin­der- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie, Psychotherapeutische Medizin, Ärztlicher Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, -psychotherapie am Universitätsklinikum Ulm, Leiter des com.can – Kompetenzzentrum Kinderschutz in der Medizin Baden-Württemberg, https://www.comcan.de/startseite.

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