FORDERUNGSKATALOG
FÜR DIE GLEICHSTELLUNG
VON ALLEINERZIEHERINNEN
Gewaltschutz
Österreich hat theoretisch im Bereich Gewaltschutz schon viel geschafft: Die Istanbul-Konvention wurde ratifiziert, ebenso die Lanzarote-Konvention, die Menschenrechtkonvention, die Frauenrechtskonvention und die Kinderrechtskonvention. Außerdem hat das Bundesministerium für Justiz die „Handreiche zum Umgang mit Gewalt im Zusammenhang mit Obsorge und Kontaktrecht“ publiziert, in der Richter*innen und alle, die mit Pflegschafts- und Unterhaltssachen beruflich zu tun haben, nachlesen können, wie sie mit Betroffenen umgehen sollen.
In der Praxis erleben Alleinerzieherinnen und ihre Kinder trotzdem häufig Gewalt, einerseits durch die Kindesväter und Ex-Partner, andererseits durch die Institutionen, die die gesetzlichen Bestimmungen entweder nicht kennen oder nicht umsetzen. Auch die gesetzliche Umsetzung der Konventionen ist im Familienrecht noch nicht vollständig vollzogen. Selbst die „Handreiche“ ist lediglich eine Empfehlung und nicht verbindlich. In vielen Fällen wird dadurch Nachtrennungsgewalt des Kindesvaters durch Mitarbeiter*innen der Institutionen ermöglicht. Unsere Forderungen beziehen sich deshalb sowohl auf den Schutz vor Gewalt als auch auf die Prävention von Gewalt, die oft erst im Zuge der Trennung entsteht und dann durch mangelnden Schutz nicht verhindert wird.
Allgemeine Forderungen für den Gewaltschutz
- Volle Investition in die Gleichstellung und Gewaltprävention: Mindestens 250 Millionen Euro jährlich und eine Aufstockung von mehr als 3.000 Vollzeitarbeitsplätze in der Gewaltpräventionsarbeit
- Krisengipfel gegen Femizide und Männergewalt an Frauen
- Nationaler Aktionsplan gegen Gewalt an Frauen
- Vergewaltigung muss EU-weit einheitlich unter Strafe gestellt werden! Und: „Nur Ja heißt Ja!“ In Schockstarre können wir nicht „Nein“ rufen!
- Ein Gewaltschutzgremium zur Entwicklung ganzheitlicher Strategien und Maßnahmen gegen geschlechtsspezifische Gewalt und Gewalt in der Partnerschaft sowie zur Koordinierung und Umsetzung von Maßnahmen zur Prävention und Bekämpfung dieser Gewalt.
- Die volle Anerkennung von Ein-Eltern-Haushalten als vollwertige Familienform.
Forderung zur systematischen Datenerhebung und Monitoring
Es braucht ein umfassendes Monitoring zur Umsetzung von Gewaltschutzmaßnahmen sowie eine systematische Datenerhebung zur Gewaltbetroffenheit von Alleinerzieherinnen und ihren Kindern. Dies umfasst:
- Erfassung der tatsächlichen Gewaltbetroffenheit von Alleinerzieherinnen und ihren Kindern, inklusive physischer, psychischer, wirtschaftlicher und institutioneller Gewalt.
- Auswertung von Pflegschaftsverfahren im Hinblick darauf, wie oft Gewaltvorwürfe geäußert werden und wie damit umgegangen wird.
- Überprüfung der Umsetzung bestehender Schutzmaßnahmen wie der Istanbul-Konvention oder der „Handreiche zum Umgang mit Gewalt im Zusammenhang mit Obsorge und Kontaktrecht“.
- Regelmäßige Berichte über institutionelles Verhalten und mögliche systematische Benachteiligungen oder Schutzlücken.
- Erhebung der Auswirkungen familiengerichtlicher Entscheidungen auf Gewaltbetroffene (z. B. wie oft Nachtrennungsgewalt auftritt und ob Schutzmaßnahmen tatsächlich greifen).
Ohne belastbare Daten bleibt Gewalt gegen Alleinerzieherinnen und ihre Kinder unsichtbar – eine fundierte Datengrundlage ist daher unerlässlich, um gezielte Verbesserungen im Gewaltschutz umzusetzen.
Allgemeine Forderungen für den Gewaltschutz in Pflegschaftsverfahren
- Erleichterter Zugang und ein Rechtsanspruch zu Verfahrenshilfe für Alleinerzieherinnen, damit sie ihre Rechte ohne existenzbedrohende Kosten durchsetzen können. Die Einkommensgrenzen müssen sich am valorisierten Durchschnittsverbrauch von Ein-Eltern-Haushalten aus der Kinderkostenanalyse 2021 orientieren, da der durchschnittliche Lebensstandard durch das Verfahren nicht gefährdet werden darf (Prävention von finanzieller Gewalt).
- Die Handreiche zum Umgang mit Gewalt im Zusammenhang mit Obsorge und Kontaktrecht muss im Familienrecht verbindlich verankert werden.
- Gerichte und Institutionen, die gegen die verbindlichen Vorgaben der Handreiche oder der Istanbul-Konvention verstoßen und dadurch Gewaltopfer gefährden, müssen mit Konsequenzen rechnen. Dies kann Disziplinarverfahren, dienstrechtliche Konsequenzen oder im Extremfall eine persönliche Haftung umfassen.
- Folgende Konventionen müssen in Pflegschaftsverfahren durchgehend umgesetzt werden:
- Die Menschenrechtskonvention
- Die Kinderrechtskonvention
- Die Frauenrechtskonvention
- Das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt
- Das Übereinkommen des Europarats zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch
- Das Haager Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung muss so angewendet werden, dass es auch Frauen und Kinder schützt, die vor Gewalt fliehen und sich in Obsorge- und Kontaktrechtsverfahren befinden. Insbesondere muss das Übereinkommen das EuGH-Urteil berücksichtigen, das häusliche Gewalt als Fluchtgrund anerkennt.
- Werden im Rahmen eines Pflegschaftsverfahrens oder Scheidungsverfahrens Vorwürfe von Partnergewalt oder Gewalt gegen die Kinder geäußert, müssen alle Mitarbeiter*innen von Institutionen oder die von ihnen beauftragt wurden, diese Vorwürfe ernst nehmen und entsprechende Schutzmaßnahmen einleiten.
- Pflegschaftsverfahren, bei denen Gewaltvorwürfe erhoben werden, müssen besonders schnell abgewickelt werden, um psychische und finanzielle Belastungen zu verhindern.
- Die juristische und psychosoziale Prozessbegleitung muss auf Verfahren am Familiengericht ausgeweitet werden, auch dann, wenn der mutmaßliche Täter am Strafgericht freigesprochen wurde oder das Verfahren eingestellt wurde (etwa aus Mangel an Beweisen).
- Es muss zwingend das Recht auf schonende Einvernahme und vom mutmaßlichen Täter abgesonderte Einvernahme von Gewaltopfern auch im Zivilrecht vorgesehen werden, selbst dann, wenn der Täter strafrechtlich nicht verurteilt wurde. Es soll die Möglichkeit geschaffen werden, dass Opfer von häuslicher Gewalt schonend per Video befragt werden können, wie dies bereits in Strafverfahren möglich ist. Überdies sollen Gewaltopfer vom Pflegschaftsgericht präventiv über diese Möglichkeit informiert werden.
- Mutmaßliche Gewaltopfer müssen umgehend über ihre besonderen Rechte als Gewaltopfer vom Gericht aufgeklärt werden, sobald sie die Gewaltvorwürfe erheben.
- Die Aussagen aller Zeug*innen der Gewaltvorwürfe müssen per Video aufgezeichnet werden,
ein genaues Protokoll muss erstellt werden und die Möglichkeit der Anwesenheit einer Vertrauensperson bei der Befragung muss gewährt werden. - Die Vorgeschichte häuslicher Gewalt und Missbrauch muss bei Pflegschaftsverfahren berücksichtigt werden.
- Eine unabhängige Ombudsstelle für Opfer von Gewalt muss eingerichtet werden.
- Der Artikel 31 der „Istanbul-Konvention“ zum Kindeswohl muss wortwörtlich in den Gesetzestext aufgenommen werden.
- Eine Informationskampagne zur „Istanbul-Konvention“ für alle an Pflegschaftsverfahren und im Opferschutz tätigen Personen muss durchgeführt werden.
- Das Gericht und alle Mitarbeiter*innen von Institutionen müssen nach bestem Wissen und Gewissen verhindern, dass durch die von ihnen ergriffenen Maßnahmen das mutmaßliche Opfer weiterer Gewalt ausgesetzt wird (Nachtrennungsgewalt verhindern). Dazu zählt jeglicher Kontakt zwischen Opfer und Täter. Mediationen, gemeinsame Erziehungsberatung, gemeinsame Elternberatung, gemeinsame Obsorge, unbegleitete Übergaben des Kindes und das Wechselmodell müssen deshalb bei Gewalt automatisch ausgeschlossen werden.
- Nachtrennungsgewalt, also alle Gewaltformen, die nach der Trennung eines Paares gegen die Ex-Partnerin und/oder die Kinder ausgeübt werden, muss als eigenständige Form häuslicher Gewalt gesetzlich definiert und sanktioniert werden. Dazu zählen psychische Gewalt, ökonomische Gewalt (Verweigerung von Unterhalt als Druckmittel) und Stalking.
- Verpflichtendes Screening auf Gewalt im Rahmen von Pflegschaftsverfahren, um Gewalt in der Vergangenheit aufzudecken und bei Gewalt die Kontaktrechte zu entziehen.
- Den Schutz von Müttern und Kindern vor Einschüchterungsklagen (SLAPP-Klagen) sicherstellen, ähnlich wie es für Journalist*innen und Menschenrechtsaktivist*innen vorgesehen ist.
Weiterbildung aller Beteiligten in Pflegschaftsverfahren
Um die Umsetzung sämtlicher Richtlinien, Gesetze, Konventionen und Regelungen in der Praxis anwenden zu können, ist die Kenntnis und Sicherheit im Umgang der gesamten Regelungen durch die agierenden Personen nötig. Deshalb müssen Personen in folgenden Berufen zwingend Weiterbildungen im Bereich Opferschutz und Gewaltschutz nachweisen können, wenn sie beruflich mit Gewaltopfern in Berührung kommen: Familien- und Strafrichter*innen, Rechtspfleger*innen, Anwält*innen, gerichtliche Sachverständige, Mitarbeiter*innen der Kinder- und Jugendhilfe, Mitarbeiter*innen der Familiengerichtshilfe, Sozialarbeiter*innen, Elternberater*innen, Mediator*innen, Besuchsbegleiter*innen, Kinderbeiständ*innen, Polizeibeamt*innen, die bei Partnergewalt und (sexualisierter) Gewalt gegen Kinder zum Einsatz kommen, sowie medizinisches Personal. Zu den dringend nötigen Inhalten der Weiterbildungen gehören folgende Kenntnisse:
- Die Menschenrechtskonvention
- Die Kinderrechtskonvention
- Die Frauenrechtskonvention
- Das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt
- Das Übereinkommen des Europarats zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch
- Die Handreiche zum Umgang mit Gewalt im Zusammenhang mit Obsorge und Kontaktrecht
- Kenntnisse zu Täterstrategien und Opferverhalten
- Täter- und Opferdynamiken
- Trauma und Traumafolgen
- Grundkenntnisse über die wichtigsten Psychopathologien, insbesondere über die narzisstische Persönlichkeitsstörung.
- Um die Aktualität und den Inhalt der Schulungen garantieren zu können, müssen die Personen die Schulung nachweisen, und diese muss in einem zentralen Register erfasst werden. Können sie keine aktuellen Schulungen vorweisen, sollen sie nicht mehr im Rahmen eines Falles von Verdacht auf sexuellen Kindesmissbrauch zum Einsatz kommen.
- Schulungen über die Dekonstruktion von geschlechterspezifischen Stereotypen und Vorurteilen, inklusive einer Reflexion darüber.
- Schulungen über die verschiedenen Arten der Gewalt (sexualisierte, physische, psychische, finanzielle, strukturelle, institutionelle Gewalt), um geschlechtsspezifische Gewalt besser zu erkennen.
- Richter*innen, Mitarbeiter*innen der Familiengerichtshilfe, Mitarbeiter*innen der Kinder- und Jugendhilfe und andere am Pflegschaftsverfahren beteiligte Institutionen müssen verpflichtend regelmäßige Supervisionen durchlaufen, insbesondere bei Verfahren mit Gewaltvorwürfen. Dies dient der Qualitätssicherung und hilft, geschlechtsbezogene Vorurteile sowie strukturelle Probleme zu reflektieren.
Familiengerichtliche Gutachten
Die geringe Anzahl an gerichtlichen Sachverständigen im Bereich Familienrecht hat zur Folge, dass immer wieder dieselben Gutachter*innen beauftragt werden. Die Bestellung der Sachverständigen liegt in der Hand der Richter*innen, eine Beeinflussung durch das Abhängigkeitsverhältnis und Machtverhältnis kann daher nicht ausgeschlossen werden. Gutachten, die nicht dem Stand der Wissenschaft entsprechen und den Regeln der Gutachtenerstellung nicht entsprochen haben, führen regelmäßig dazu, dass die Obsorge und die Hauptbetreuung für Kinder dem gewalttätigen Elternteil zugestanden werden. Wir fordern deshalb:
- Eine unabhängige und für Betroffene kostenlose Ombudsstelle muss eingerichtet werden, die auf Wunsch der Begutachteten oder ihrer rechtlichen Vertretung Gutachten auf ihre Qualität, auf Mängel, ihre Wissenschaftlichkeit und die Einhaltung aller Regeln, Vorschriften und Richtlinien überprüft. Die Gutachten müssen in der Ombudsstelle von hochqualifizierten Personen geprüft werden, die die Gesamtheit der Bestimmungen kennt. Darunter sind etwa die Richtlinien für familienpsychologische Gutachten, Berufsvorschriften, andere Richtlinien zur Erstellung von Gutachten, Menschenrechte, Kinderrechte, Frauenrechte, das Übereinkommen des Europarats zum Schutz von Opfern (zum Beispiel die Istanbul-Konvention und die Lanzarote-Konvention), die Handreiche zum Umgang mit Gewalt im Zusammenhang mit Obsorge und Kontaktrecht und andere.
- Zusätzlich zur individuellen Prüfung auf Antrag muss die Ombudsstelle eine regelmäßige, systematische Überprüfung von familiengerichtlichen Gutachten durchführen. Ziel ist es, strukturelle Fehler, wiederkehrende Qualitätsmängel und wissenschaftlich fragwürdige Methoden zu identifizieren. Dadurch soll sichergestellt werden, dass fehlerhafte Gutachten nicht weiterhin unbemerkt in familiengerichtlichen Verfahren verwendet werden.
- Werden Mängel im Gutachten festgestellt, so müssen diese, wenn möglich, behoben werden. Wenn dies nicht möglich ist, darf das Gutachten nicht in die Bewertung einfließen und es muss ggf. ein neues Gutachten durch eine*n andere*n Sachverständige*n beauftragt werden.
- Sachverständige, in deren gerichtlichen Gutachten Mängel festgestellt wurden, müssen verpflichtet werden, eine Fortbildung im Bereich des festgestellten Mangels zu absolvieren. Bis dahin dürfen sie nicht mehr von Gerichten beauftragt werden. Sollten sie innerhalb eines Jahres die Fortbildung im bemängelten Bereich ohne gute Gründe nicht absolviert haben, so sollte ihre Zulassung als gerichtliche Sachverständige automatisch und dauerhaft erlöschen.
- Sachverständige, die wiederholt fehlerhafte, unwissenschaftliche oder grob mangelhafte Gutachten erstellen, müssen von der Liste der gerichtlich zertifizierten Sachverständigen gestrichen werden. Eine gerichtliche Überprüfung soll spätestens nach zwei negativen Prüfberichten durch die Ombudsstelle erfolgen.
- Die Auswahl der Sachverständigen per Zufall, je nach Qualifikation, damit keine Abhängigkeitsverhältnisse zwischen Auftraggeber*in und Auftragnehmer*in entstehen können.
- Initiativen zur Ausweitung des Pools an Sachverständigen mit den entsprechenden Qualifikationen.
- Ausweitung des Fortbildungsangebots für Sachverständige im Bereich der „Handreiche“, des Übereinkommens des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (Istanbul-Konvention), des Übereinkommens des Europarats zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch (Lanzarote-Konvention), der Menschenrechte, Kinderrechte, Frauenrechte, Täter-Opfer-Dynamiken, Täterstrategien, Opferverhalten, Gewaltschutz, etc.
- Die Richtlinien für Sachverständige im Familienrecht, die durch das Gesundheitsministerium erarbeitet wurden, müssen für Sachverständige rechtsverbindlich werden.
- Alle Berufsvorschriften für Sachverständige und für Psycholog*innen, Psychiater*innen, sowie anderen Berufsgruppen, die gerichtliche Sachverständige im Familienrecht sein können, müssen verbindlich werden.
- Dazu zählt die ausnahmslose und verbindliche Verwendung der jeweils neuesten Version der internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD: International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems) im Bedarfsfall.
- Eine rechtliche Verpflichtung zum Arbeiten nach dem höchsten Stand der Wissenschaft. Dazu gehört das rechtliche Verbot von pseudo-wissenschaftlichen Diagnosen wie etwa „Eltern-Kind-Entfremdung“ („PAS“), „Bindungsintoleranz“ und ähnliche Begriffe, die darauf abzielen, den Grund für eine Ablehnung des Kindes gegenüber einem Elternteil dem anderen Elternteil zuzuordnen.
- Die Inhalte der Handreiche zum Umgang mit Gewalt im Zusammenhang mit Obsorge und Kontaktrecht müssen für Gutachter*innen verbindlich werden.
- Eine verpflichtende Schulung von gerichtlichen Sachverständigen im Gewaltschutz, insbesondere der Handreiche zum Umgang mit Gewalt im Zusammenhang mit Obsorge und Kontaktrecht.
- Gerichtliche Sachverständige müssen, wenn das Opfer Gewaltvorfälle geäußert hat oder wenn sich der Verdacht aus der Sachlage ergibt, nachweislich eine Fortbildung über die Istanbul-Konvention vorweisen und diese im Begutachtungsprozess verpflichtend beachten.
- Steht Gewalt gegen eines der Kinder im Raum, so muss zusätzlich eine Ausbildung der Sachverständigen über die Lanzarote-Konvention nachgewiesen werden, und die Bestimmungen der Lanzarote-Konvention zwingend bei der Begutachtung und während des Begutachtungsprozesses eingehalten werden. Dazu zählt insbesondere ein Verbot von Interaktionsbeobachtungen zwischen Kindern und mit Gewalt beschuldigten Elternteilen, auch wenn die Kinder die Gewalt „nur“ mitansehen mussten (auch das ist Gewalt gegen das Kind).
- Gerichtliche Sachverständige im Familienrecht, die mit Elternteilen und Kindern in einem Kontext arbeiten, in dem Gewaltvorwürfen ausgesprochen wurden oder vermutet werden können, müssen nachweislich eine Ausbildung bezüglich Täter- Opfer-Dynamiken, Traumafolgen und Persönlichkeitsstörungen wie Narzissmus nachweisen können, wenn Gewaltanschuldigungen gemacht wurden oder sich aufgrund der Sachlage vermuten lassen.
- Die Kosten für familiengerichtliche Gutachten, die richterlich angeordnet wurden, müssen vom Staat übernommen werden. Die Kosten, die zwischen den Eltern derzeit aufgeteilt werden, stellen eine erhebliche Belastung für die Familien dar, die bereits durch die Trennung schwer finanziell belastet sind, insbesondere Alleinerzieherinnen.
- Verpflichtung von Gutachter*innen, die Begutachtung aufzuzeichnen außer das Kind selbst spricht sich dagegen aus.
Obsorge und Kontaktrecht
- Unverheirateten Eltern müssen nachweislich über die Folgen der gemeinsamen Obsorge von den Standesbeamt*innen aufgeklärt werden, wie eigentlich vorgesehen. Ansonsten muss die gemeinsame Obsorge nichtig sein. Die Rücktrittsfrist muss zumindest auf ein Jahr ausgedehnt werden.
- A tritt für das Kontinuitätsprinzip ein. Das heißt, dass der Elternteil, der sich vor der Trennung hauptsächlich um das Kind gekümmert hat, auch nach der Trennung die Hauptbetreuung übernehmen können soll. Zu bemessen ist dies am Anteil der geleisteten Karenz für jedes Kind sowie am Beschäftigungsausmaß der beiden Elternteile. Ob Gewaltvorwürfe dabei im Raum stehen, ist unerheblich, denn allein dadurch, dass ein Elternteil die meiste Betreuung des Kindes vor der Trennung übernommen hat, hat er langfristige finanzielle Nachteile in Kauf genommen, die im Falle einer Trennung in den meisten Fällen zu finanzieller Gewalt werden: Die Familie lebt in Armut oder Ausgrenzung, weil durch den Karriereknick aufgrund von Elternzeit und Karenz eine Karriere, die zur Deckung der Kosten einer Ein-Eltern-Familie führt, in der Regel nicht mehr möglich ist.
- Dass unverheiratete Mütter, die die alleinige Obsorge haben, diese auch nach der Trennung behalten, muss gesetzlich festgeschrieben werden.
- Gibt es zwischen den Eltern keine gute Gesprächsbasis, was etwa daran zu erkennen ist, dass sie sich nicht ohne Gericht einigen können, muss gesetzlich festgelegt werden, dass nur ein Elternteil die alleinige Obsorge erhält, damit keine Handlungsunfähigkeit bei wichtigen Entscheidungen für das Kind besteht (etwa bei der Entscheidung über die Schulwahl, Impfungen, etc.).
- Insbesondere bei Gewaltvorwürfen muss gesetzlich festgelegt werden, dass eine gemeinsame Obsorge ausgeschlossen ist, auch wenn die Gewaltvorfälle zeitlich bereits länger zurückliegen. Traumata können ein Leben lang bestehen, eine enge Abstimmung mit dem zweiten Elternteil kann dem Gewaltopfer nicht zugemutet werden.
- Bei Gewaltvorwürfen im Kontext von Obsorge- und Kontaktrechtsverfahren ist eine verpflichtende Risikoanalyse durch qualifizierte Fachkräfte durchzuführen. Diese soll das Gefährdungspotential für das Kind und den betreuenden Elternteil evaluieren und entsprechende Schutzmaßnahmen empfehlen.
- Um zu verhindern, dass Mütter und Kinder aufgrund von misogynen Mythen und patriarchalen Einstellungen zu Unrecht als unglaubwürdig und manipulativ eingestuft werden, und so den Schilderungen vor allem der Kinder nicht geglaubt wird, muss die Verwendung von Scheindiagnosen vor Gericht und bei anderen Institutionen explizit gesetzlich verboten werden. Dazu zählen das Entfremdungssyndrom, die Eltern-Kind-Entfremdung, das Parental Alienation Syndrome, die Bindungsintoleranz, das False Memory Syndrome, die Scheinerinnerungen und allen anderen unwissenschaftlichen Pseudodiagnosen.
- Eine klare und explizite Definition einer schweren Kindeswohlgefährdung im Kontext von Pflegschaftsverfahren.
- Kein Zwang zur Verwendung einer Betreuungs-App.
- Einschüchterungsklagen, unverhältnismäßige Klagen und der missbräuchliche Einsatz von rechtlichen Mitteln müssen verhindert werden. (Ähnlich wie das Verbot von SLAPP-Klagen gegen Journalist*innen.) Mütter müssen geschützt werden, wenn sie ihre Kinder schützen.
- Bei gehäuften Klagen der Kindesväter muss ein fachärztliches, psychiatrisches Gutachten vom Gericht veranlasst werden. Vor einer Klassifizierung als „hochstrittig“ müssen psychiatrische Erkrankungen ausgeschlossen werden.
- Eine offizielle Definition von Hochstrittigkeit, die Machtpositionen und Abhängigkeiten miteinbezieht, muss erstellt werden. Bei einem Machungleichgewicht kann es keine Hochstrittigkeit geben – das ist Gewalt.
- Ein gesetzlicher Ausschluss des Wechselmodells per Zwang. Es gibt keine wissenschaftliche Evaluierung, wie sich das dauerhafte Pendeln der Kinder im Wechselmodell auf sie auswirkt. Das Wechselmodell ist eines der teuersten Betreuungsmodelle. Diese finanzielle Belastung darf nicht auf dem Rücken der Kinder und Mütter ausgetragen werden.
- Bei Gewaltvorwürfen darf das Gericht keine gemeinsame Elternberatung als Maßnahme setzen.
- Bei Gewaltvorwürfen müssen sowohl das Wechselmodell als auch die gemeinsame Obsorge per Gesetz ausgeschlossen werden.
- Gegen Gewaltopfer dürfen keine Beugestrafen im Zusammenhang mit Obsorge und Kontaktrecht verhängt werden.
- Datenerhebung:
- Eine Evaluierung des KindNamRÄG 2013 unter Anhörung der von Obsorgeverfahren betroffenen Mütter, Väter und Kinder von unabhängigen Wissenschafter*innen, um die Ursachen des Anstiegs der Anzahl der hochstrittigen Obsorge- und Kontaktrechtsverfahren zu untersuchen.
- Ursachen für jahrelange Verfahren müssen von Gerichten erhoben und ausgewertet werden
- Eine wissenschaftliche Evaluierung der Wirksamkeit und Rechtmäßigkeit des Cochemer Modells, wie es heute in Österreich umgesetzt wird, muss zwingend durchgeführt werden, bevor es weiter zum Einsatz kommt.
- Die Evaluierung auf Gender-Bias der verwendeten Methodik und Literatur und die Unterlagen, die zur Einschulung der Mitarbeiter*innen von Familiengerichtshilfe, der Kinder- und Jugendhilfe, der angehenden Sozialarbeiter*innen verwendet werden.
- Eine Studie zur Anzahl der gewaltbetroffenen Kinder in Pflegschaftsverfahren und von Gewalt als Trennungsgrund
- Eine Ombudsstelle für Koordinierung der Datenerhebung und Forschung zu Fällen geschlechtsspezifischer Gewalt, insbesondere psychischer Gewalt, Macht- und Kontrollverhalten und Femiziden, muss eingerichtet werden.
Kinderrechte und Partizipation der Kinder in Pflegschaftsverfahren
- FEM.A fordert das gesetzliche verankerte Recht für Kinder, die sich verbalisieren können (in der Regel ab zwei bis drei Jahren), vor Gericht angehört zu werden.
- Der Kinderbeistand soll routinemäßig bei Pflegschaftsverfahren für alle Kinder, die ihre Wünsche verbalisieren können, zum Einsatz kommen.
- Die Kosten für den Kinderbeistand müssen vom Staat übernommen werden.
- Beim Betreuungsmodell nach der Trennung ist auch der Wunsch des Kindes zu berücksichtigen, und zwar ab einem Alter, in dem es den Wunsch verbalisieren kann (in der Regel ab zwei bis drei Jahren). Der Wunsch des Kindes soll mit einer oder einem Kinderbeiständ*in herausgearbeitet werden.
- Das Wohl des Kindes muss bei allen Entscheidungen zum Kontaktrecht oberste Priorität haben. Kontaktrechte der Eltern dürfen nicht auf Kosten der physischen oder psychischen Gesundheit des Kindes durchgesetzt werden. Ein Kontaktzwang von Kindern muss gesetzlich verboten werden. Vor allem muss die Durchsetzung des elterlichen Kontaktrechts mit Polizeieinsätzen verboten werden.
Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder
FEM.A fordert die vollständige Umsetzung der Lanzarote-Konvention. Dazu gehört:
- Kindern muss geglaubt werden, wenn sie von Gewalt erzählen! Es darf nicht angenommen werden, dass ein Elternteil dem Kind die Gewalt einredet.
- Bei jeder Gefährdungsmeldung mit Verdacht auf sexuellen Kindesmissbrauch muss eine rechtlich verpflichtende Anzeige bei der Polizei oder Staatsanwaltschaft von der Kinder- und Jugendhilfe eingebracht werden. Es darf nicht im Ermessen einzelner Personen liegen, ob sie die Anschuldigungen als glaubhaft einschätzen oder dem Verfahren Erfolgsaussichten beimessen. Bringt jemand den Verdacht auf sexuellen Kindesmissbrauch ein, muss die Kinder- und Jugendhilfe verpflichtend und in allen Fällen Anzeige erstatten.
- Ein bundesweit einheitliches Vorgehen der Exekutive bei Ermittlungen muss geschaffen werden. Dazu gehört, dass das Opfer und die Angehörigen umgehend therapeutische Hilfe bekommen und dass die Exekutive und die Justiz dahingehend weitergebildet werden, dass eine Therapie die Erinnerung des Kindes nicht verfälschen kann. Eine Wartefrist für die Therapie bis zur Einvernahme ist auch in der Lanzarote-Konvention nicht vorgesehen.
- Die Anzahl der Befragungen muss auf eine einzige videodokumentierte Befragung begrenzt werden.
- Bei jeder Gefährdungsmeldung mit Verdacht auf sexuellen Kindesmissbrauch muss ein Antrag auf Aussetzung des Kontaktrechts und der Obsorge von der Kinder- und Jugendhilfe eingebracht werden. Erst, wenn feststeht, dass es keinen Zweifel daran gibt, dass das Kind nicht sexuell missbraucht wurde, können Obsorge und Kontaktrecht durch den zuvor Beschuldigten wieder ausgeübt werden.
- Steht der Verdacht des sexuellen Missbrauchs im Raum, muss das Recht bestehen, das Kontaktrecht zum Schutz des Kindes umgehend auszusetzen. Eine Meldung des Verdachts bei der Kinder- und Jugendhilfe muss dafür ausreichen.
- Es muss eine bundesweit einheitliche, öffentliche und transparente Richtlinie zum Vorgehen bei Gefährdungsmeldungen und Gefährdungsabklärungen bei Verdacht auf sexuellen Kindesmissbrauch geben. Diese Richtlinie muss die Mitarbeiter*innen der Kinder- und Jugendhilfe verpflichten, das betroffene Kind umgehend an eine auf sexuellen Kindesmissbrauch spezialisierte kinderpsychiatrische und rechtsmedizinische Fachambulanz zuzuweisen. Dadurch wird sowohl die professionelle Beweissicherung gewährleistet als auch die sofortige therapeutische Unterstützung des Kindes sichergestellt.
- Es muss eine einheitliche Aufklärung von Müttern und Kindern bezüglich des Prozesses, ihrer Rechte und Möglichkeiten geben.
- Es muss dafür gesorgt werden, dass es ein flächendeckendes Angebot an auf sexuellen Kindesmissbrauch spezialisierten Ambulanzen (Rechtsmedizin und Kinderpsychiatrie) eingerichtet wird.
- Flächendeckend muss die Möglichkeit geschaffen werden, dass Opfer von auf sexuellen Kindesmissbrauch spezialisierten Beamti*nnen einvernommen werden. Es müssen bundesweit einheitliche, spezialisierte Fachstellen für Ermittlungen bei Verdacht auf sexuellen Kindesmissbrauch eingerichtet werden. Diese sollen interdisziplinär arbeiten und Fachkräfte aus Justiz, Polizei, Kinderpsychiatrie und Sozialarbeit einbinden, um eine professionelle und kindgerechte Fallbearbeitung sicherzustellen. Die Fachstellen müssen klare Standards für die Zusammenarbeit mit Gerichten, der Kinder- und Jugendhilfe sowie spezialisierten Therapieeinrichtungen haben.
- Bei einer Gefährdungsmeldung oder einem Ermittlungsverfahren wegen Verdachts auf sexuellen Kindesmissbrauch muss das betroffene Kind umgehend einer spezialisierten kinderpsychiatrischen und rechtsmedizinischen Fachambulanz zugewiesen werden. Diese Ambulanzen müssen eng mit den spezialisierten Fachstellen für Ermittlungen und mit kinderschutzspezifischen Therapieeinrichtungen vernetzt sein. Dadurch wird sichergestellt, dass die Beweissicherung professionell erfolgt und das Kind sofortigen Zugang zu therapeutischer Hilfe erhält.
- Die bereits existierenden Schutzmaßnahmen für Kinder, die im Strafrecht vorgesehen sind, müssen auch im Zivilrechtverbindlich gelten, selbst wenn ein Strafverfahren ohne Verurteilung geendet hat oder eingestellt wurde. Der Grundsatz „in dubio pro reo“ (im Zweifel ist der Angeklagte freizusprechen) gilt im Familienrecht nicht. Hier gilt: im Zweifel für den Schutz des Kindes!
- Das Zusammentreffen des möglichen Täters mit dem möglichen kindlichen Opfer und Interaktionsbeobachtungen in Begutachtungsprozessen müssen dezidiert ausgeschlossen werden, wenn es einen Verdacht auf sexuellen Missbrauch des Kindes gibt, ungeachtet des Ausgangs eines eventuell abgeschlossenen oder laufenden Strafverfahrens.
- Bei einer Anzeige oder einer Gefährdungsmeldung mit Verdacht auf bildliche Darstellung von sexuellem Kindesmissbrauch muss automatisch eine Hausdurchsuchung und eine Sicherung der elektronischen Geräte des Beschuldigten stattfinden.
- Es muss sowohl im Straf- als auch im Zivilrecht eine Verpflichtung geben, die gesamten Beweismittel, die bei Verdacht auf sexuellen Kindesmissbrauch eingebracht werden, zu sichten und zu beurteilen.
- In Deutschland gibt es eine Lernplattform für medizinisches Personal, die auch Österreich offensteht: https://kinderschutzhotline.de/. Darüber hinaus gibt es eine 24-Stunden Hotline, bei der sich medizinisches Personal von Spezialist*innen Rat holen können. Wir fordern für alle Berufe, die mit möglicherweise sexuell missbrauchten Kindern interagieren, eine Lernplattform für Österreich, sowie eine 24- Stunden Hotline, an der sie genaue Instruktionen von Spezialist*innen bekommen können.
- Um die Beweissicherung zu garantieren, müssen Täter verpflichtend und umgehend (innerhalb von 48 Stunden nach dem Vorfall) von auf sexuellen Kindesmissbrauch spezialisierten Mediziner*innen begutachtet werden – sowohl psychiatrisch als auch physisch.
- Auch bei Verdacht auf sexuellen Kindesmissbrauch müssen nach Eingang einer Anzeige oder einer Gefährdungsmeldung umgehend Fallkonferenzen mit Spezialist*innen für sexuellen Kindesmissbrauch stattfinden.
- Es braucht dringend eine gesetzliche (verbindliche) Regelung, dass Obsorge und Kontaktrecht sofort nach Aufkommen eines Verdachts ausgesetzt werden müssen, solange, bis zweifelsfrei festgestellt werden konnte, dass der Verdacht auf sexuellen Kindesmissbrauch unbegründet ist.
- Bei jeder Anzeige, Gefährdungsmeldung oder bei einem Strafverfahren wegen Verdacht auf sexuellen Kindesmissbrauch muss ein Familiengericht verpflichtend eigene Ermittlungen anstellen, um sicher zu gehen, dass das Kind in seinem Zuhause oder während der (begleiteten) Besuchskontakte nicht abermals in Gefahr ist oder retraumatisiert wird. Es gilt nicht „im Zweifel für den Angeklagten“, sondern „im Zweifel für das Kind“.
- Eine Kindesabnahme durch die Kinder- und Jugendhilfe im Fall von sexuellem Missbrauch darf nur dann erfolgen, wenn das Kind seinen Hauptaufenthaltsort im selben Haushalt wie der Täter hat und bereits alle anderen Maßnahmen ausgeschöpft wurden (z.B. die Wegweisung des Täters aus dem gemeinsamen Haushalt).
- Strafgerichte und Pflegschaftsgerichte müssen verpflichtet werden, sich gegenseitig umgehend von einem Anfangsverdacht zu informieren. Außerdem müssen die Gerichte unter Sanktionen verpflichtet werden, eine Gefährdungsmeldung bei der Kinder- und Jugendhilfe einzubringen.
- Es muss gesetzlich verankert werden, dass der Kontakt zu einem Elternteil, der das Kind missbraucht hat oder verdächtigt wird, das Kind missbraucht zu haben, nicht dem Kindeswohl entspricht.
- Der Kindeswille muss derart verankert werden, dass ein vermutliches kindliches Gewaltopfer nicht mehr gegen seinen Willen gezwungen werden kann, — Kontaktbesuche oder Erinnerungskontakte mit dem vermutlichen Täter wahrzunehmen.
- Nur wenn das missbrauchte Kind explizit äußert, dass es den verurteilten Vater sehen möchte und dies dem Kindeswohl entspricht, so soll ein begleiteter Kontakt stattfinden können.
- Selbst wenn ein Sexualstraftäter ein anderes Kind missbraucht hat, muss der gesamte Schutzmechanismus für seine eigenen Kinder in Gang gesetzt werden: eine Gefährdungsmeldung muss an die Kinder- und Jugendhilfe ergehen, Diese muss einen Antrag auf Aussetzung der Obsorge und des Kontaktrechts bzw. eine eventuelle Wegweisung stellen. Der andere Elternteil muss umgehend darüber informiert werden, sobald der Verdacht auf sexuellen Kindesmissbrauch im Raum steht, auch wenn dieser Verdacht vorerst nicht das eigene Kind betrifft. Ein verurteilter Sexualstraftäter, der ein Kind missbraucht hat, ist kein geeigneter Umgang für das eigene Kind. Die Sicherheit kann nicht gewährt werden.
- Auch zukünftige Ehepartner*innen müssen vor der Eheschließung über die Straftat informiert werden, damit sie eventuell geplante Kinder entsprechend schützen können. Außerdem darf eine Sexualstraftat gegen Kinder keine Verjährungsfrist haben. Studien zeigen, dass sich die Gefahr nicht mit dem Zeitablauf ändert.
- Im Fall einer Anzeige oder eines Verfahrens von sexuellem Kindesmissbrauch, muss gesetzlich verankert werden, dass gegen die anzeigende Person keine Einschüchterungsklagen wie Verleumdungsklagen oder andere Klagen erhoben werden dürfen. Die Whistle-Blower*innen müssen geschützt werden.
- Das Budget für therapeutische Hilfe (psychiatrische, kinderpsychiatrische, psychologische oder psychotherapeutische Hilfe) für Opfer von sexuellem Kindesmissbrauch und deren Angehörige muss derart erhöht werden, dass der gesamte Bedarf gedeckt werden kann. Darüber hinaus muss ein gesetzlich verankerter Rechtsanspruch auf spezialisierte, langfristige therapeutische Unterstützung für betroffene Kinder und ihre nicht missbrauchenden Eltern oder Erziehungsberechtigten bestehen, damit sie unabhängig von ihrer finanziellen Situation eine kontinuierliche, fachgerechte Begleitung erhalten.
- Verstoßen Mitarbeiter*innen von Institutionen gegen ihre Pflicht, alle Vorkehrungen zu treffen, um ein Opfer von sexuellem Kindesmissbrauch zu schützen, so muss dies strafrechtlich verfolgt werden: Es handelt sich um eine Mittäterschaft. Außerdem muss ein sofortiges Berufsverbot verhängt werden.
- Alle Professionen, die im Zuge einer Anzeige, einer Anschuldigung oder einer Gefährdungsmeldung wegen Verdachts auf sexuellen Kindesmissbrauch in Erscheinung treten, müssen inhaltlich verpflichtend auf Pseudodiagnosen, Täter-Opfer-Dynamiken, Traumata, post-traumatisches Stress Syndrom etc. verpflichtend geschult werden. Um die Aktualität und den Inhalt der Schulungen garantieren zu können, müssen die Personen die Schulung nachweisen und diese muss in einem zentralen Register erfasst werden. Können sie keine aktuellen Schulungen vorweisen, sollen sie nicht mehr im Rahmen eines Falles von Verdacht auf sexuellen Kindesmissbrauch zum Einsatz kommen.
- Mitarbeiter*innen der Kinder- und Jugendhilfe müssen verpflichtend Schulungen zu häuslicher Gewalt, Partnergewalt, Kindeswohl, Täterstrategien, Trauma und Traumafolgen absolvieren. Diese Schulungen müssen von unabhängigen Opferschutzeinrichtungen durchgeführt und regelmäßig evaluiert werden. Ein zentrales Register muss sicherstellen, dass nur geschulte Fachkräfte Entscheidungen über Kindesabnahmen und Schutzmaßnahmen treffen. Personen ohne aktuellen Schulungsnachweis dürfen nicht über Maßnahmen im Kinderschutz entscheiden.
- Die anwaltliche Vertretung im Fall eines Verdachts auf sexuellen Kindesmissbrauch muss für das betroffene Kind und die gesetzliche Vertreterin kostenfrei sein – auch im Pflegschaftsverfahren und selbst dann, wenn der Verdächtige im Strafverfahren, freigesprochen wurde (im Zweifel für den Angeklagten, im Zweifel jedoch für den Schutz des Kindes im Zivilrecht). Es darf nicht von der Finanzkraft des nicht beschuldigten Elternteils abhängen, ob ein Verfahren eingeleitet wird und das Kind somit vor weiterem sexuellem Missbrauch geschützt wird.
- Das Strafmaß für sexuellen Missbrauch von Kindern durch ein Familienmitglied in Österreich muss erhöht werden, um der Lanzarote-Konvention gerecht zu werden.
- Der Kindesunterhalt darf durch die Verurteilung des Täters nicht gefährdet werden. Viele Berufe benötigen einen einwandfreien Leumund, insbesondere für die Arbeit mit Kindern. Kann der Täter aufgrund seiner Tat seiner gewohnten Berufstätigkeit nicht mehr nachgehen, so muss der Kindesunterhalt umgehend aus dem Vermögen weiter bestritten werden, im Ausmaß der Kinderkosten.
- Hat der Täter kein Vermögen mehr, so muss ein angemessener Kindesunterhalt vom Opferschutzfond bis zum Eintreten der Selbsterhaltungsfähigkeit des Opfers übernommen werden. Es ist dabei mit einzuberechnen, dass Kinder, die Opfer sexualisierter Gewalt wurden, eventuell aufgrund der Traumatisierung und der Zeit für die nötige Aufarbeitung, einen weniger zielgerichteten Ausbildungserfolg vorweisen können. Es ist daher ein anderer Maßstab anzusetzen als bei Kindern, die keine Gewaltopfer wurden. Der Kindesunterhalt soll auch dann übernommen werden, wenn das Kind aufgrund seiner Traumatisierung eine Zeit lang nicht fähig ist, ein Studium oder eine Ausbildung zu verfolgen.
- Der Zugriff auf das Vermögen des Täters muss auch für andere Unterhaltsberechtigte des Täters gelten. Sollte der Täter nicht zahlungsfähig sein, so soll für andere unterhaltsberechtige Kinder die Unterhaltsgarantie greifen.
Kindesabnahmen durch die Kinder- und Jugendhilfe nach §211 ABGB
- Kindesabnahmen müssen mit dem Einverständnis des Kindes und ohne Anwendung von Gewalt gegen das Kind erfolgen! Dazu gehört auch, dass keine Gewalt gegen die Elternteile vor den Augen des Kindes erfolgen darf.
- Die Kinder und die Eltern müssen unverzüglich über die Gründe der Abnahme und ihre Rechte aufgeklärt werden.
- Die leiblichen Eltern müssen umgehend nach der Kindesabnahme ein Recht auf Einsicht in die Aufzeichnungen der Kinder- und Jugendhilfe (Akteneinsicht) bekommen, sowie das Recht, Kopien anzufertigen.
- Im Sinne des Kindeswohls fordert FEM.A, dass die Kinder- und Jugendhilfe eine Kindesabnahme nach §211 ABGB umgehend, also innerhalb von 24 Stunden, dem Gericht melden muss und ein*e Richter*in (notfalls im Journaldienst) umgehend, also innerhalb von 48 Stunden die betroffenen Eltern anhören muss. Es handelt sich bei einer Kindesabnahme um einen gravierenden Eingriff in das Familienleben.
- Eine neutrale Ombudsstelle muss flächendeckend eingerichtet werden, an die sich Eltern im Falle einer aus ihrer Sicht ungerechtfertigten Kindesabnahme wenden können – anders als bei anderen Institutionen oder bei Behörden gibt es keine Möglichkeit, Beschwerde gegen die Kinder- und Jugendhilfe zu erheben.
- Ein unabhängiges Kontrollorgan, das die Arbeit der Kinder- und Jugendhilfe prüft, muss geschaffen werden.
- Dieses Kontrollorgan muss sicherstellen, dass jede Kindesabnahme durch ein interdisziplinäres Expert*innengremium überprüft wird. Vor einer Herausnahme müssen alle anderen Hilfsmaßnahmen geprüft und dokumentiert werden. Zudem muss eine verbindliche Befristung der Fremdunterbringung erfolgen, mit einem festgelegten Plan zur Rückführung, wenn dies dem Kindeswohl entspricht.
- Das Gericht muss das Verfahren in einer dem Kindesalter entsprechend kurzen Frist abschließen, um eben diesem Fall vorzubeugen, dass sich eine eventuell unrechtmäßige Herausnahme und spätere Rückführung in die Herkunftsfamilie negativ auf das Kindeswohl auswirkt. Als Maßstab ist hier das Schnellverfahren im Zivilrecht zu sehen, maximal aber vier Wochen. So können Eltern ggf. in die nächste Instanz gehen.
- Es muss immer eine mündliche Verhandlung stattfinden. Die leiblichen Eltern müssen zwingend schriftlich und rechtzeitig über den Termin informiert werden.
- Eine Verschleppung durch die Kinder- und Jugendhilfe darf nicht möglich gemacht werden, etwa, weil wiederholt dieselben Vorwürfe als Eingaben bei Gericht eingebracht werden, oder die Partei nicht vor Gericht erscheint.
- Das Pflegschaftsgericht muss das Verfahren in einer dem Kindesalter entsprechend kurzen Frist abschließen, damit das Kind, die Eltern und die gesamte Familie keine irreparablen Schäden erleiden.
- „Gefahr in Verzug“ im Kontext einer Kindesabnahme muss gesetzlich geregelt werden, nämlich als unmittelbare Gefahr für Leib und Leben des Kindes. Die Kriterien müssen genau festgelegt werden, damit Vorurteile, seien sie bezogen auf die Familienform (Alleinerzieherinnen), Gewalterfahrung, das Geschlecht, Behinderungen oder Lernschwierigkeiten, die zugeschriebene Herkunft, Religion, Kultur, Armut oder andere Merkmale, nicht zur Diskriminierung von Familien beitragen.
- Die Begriffe „Gefahr in Verzug“, „Verwahrlosung“, „Nicht-Kooperation“ und „schwere Kindeswohlgefährdung“ müssen gesetzlich klar und explizit definiert werden. Eine einheitliche und überprüfbare Grundlage ist notwendig, um willkürliche Eingriffe zu verhindern und sicherzustellen, dass diese Begriffe nicht dazu missbraucht werden, Mütter für ihr Schutzverhalten zu bestrafen oder Kindesabnahmen auf unsicherer Grundlage durchzuführen.
- Ein öffentlicher Kriterienkatalog für Kindesabnahmen muss verpflichtend eingeführt werden. Dieser soll sicherstellen, dass Eltern und betroffene Kinder nachvollziehen können, warum eine Kindesabnahme erfolgt und welche rechtlichen Schritte ihnen offenstehen. Zudem müssen diese Kriterien für die externe Kontrolle der Kinder- und Jugendhilfe einsehbar und überprüfbar sein.
- Die Kinder- und Jugendhilfe muss die Gefahr in Verzug beweisen können, ansonsten muss das Kind sofort wieder in die Herkunftsfamilie verbracht werden. Die Herausnahme weg von der Hauptbezugsperson kann gerade für ein Kind, das sexuellen Missbrauch erlitten hat und sich in einer besonders vulnerablen Situation befindet, in der es besondere Zuwendung seiner Bezugsperson braucht, eine weitere Traumatisierung bedeuten. Es braucht vor allem ein stabiles Umfeld.
- Stellt sich im Verfahren heraus, dass die Kindesabnahme nicht wegen „Gefahr im Verzug“, also Gefahr gegen Leib und Leben geschehen ist, so muss das Kind auf jeden Fall und unabhängig von der Dauer der Herausnahme aus der Herkunftsfamilie, umgehend wieder in diese zurückgeführt werden.
- Bei Kindesabnahmen wegen langfristiger Kindeswohlgefährdung muss die Kinder- und Jugendhilfe erst einen Antrag auf Übertragung der Obsorge stellen. Die Kinder dürfen in der Zwischenzeit weiterhin bei dem oder den Elterteil*en bleiben.
- Den Elternteilen und den Kindern muss kostenlose therapeutische Begleitung zur Verfügung gestellt werden, bei der oder dem Therapeut*in ihrer Wahl. Dieses Angebot muss ab dem Zeitpunkt der Kindesabnahme, als auch nach der Rückführung des Kindes bestehen.
- Sobald Zweifel aufkommen, ob Gefahr i,n Verzug für das Kind (also Gefahr für Leib und Leben) besteht, muss die Kinder- und Jugendhilfe die Eltern darüber informieren, dass sie eine Abnahme plant und die Eltern darüber in Kenntnis setzen, wie die Kindesabnahme abgewendet werden kann. Eine Kindesabnahme ist eine der schwersten Eingriffe in das Familienleben, die es gibt. Das Familienleben ist durch die Menschenrechtskonvention geschützt.
- Es braucht eine transparente und bundesweit einheitliche Vorgehensweise bei Kindesabnahmen, damit die Eltern und eventuell auch die Kinder zu jeder Zeit Bescheid wissen, was passiert und welche Rechte sie haben.
- Die Kinder- und Jugendhilfe darf nicht länger Ländersache bleiben. Unterschiedliche Standards in den Bundesländern führen zu Willkür und fehlender Kontrolle. Eine bundesweit einheitliche Regelung muss eingeführt werden, um sicherzustellen, dass alle Kinder in Österreich die gleichen Rechte und Schutzmaßnahmen erhalten.
- Die Kriterien und die Vorgehensweise bei Gefährdungsabklärungen müssen auch für Eltern und Kinder transparent gestaltet werden.
- Die Kriterien der Gefährdungsabklärung müssen auf wissenschaftlicher Basis beruhen, die jegliche Diskriminierung zum Beispiel aufgrund der Familienform, Religion, Herkunft, zugeschriebener Herkunft, Behinderung, Armut, Lernschwierigkeiten, Gewalterfahrung, Geschlecht, Bildungsgrad, Erwerbsstatus, Alter oder anderen Merkmalen ausschließt.
- Für die Begleitung von Eltern müssen mehr finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt werden, um eine teure Kindesabnahme abzuwenden. Die einmaligen Kosten (zum Beispiel des Polizeieinsatzes, Kosten für Sozialarbeiter*innen und Gerichte, Anwaltskosten etc.) und die dauerhaften Kosten (zum Beispiel Unterbringung, begleitete Besuche, Therapieaufwände aufgrund der traumatisierenden Kindesabnahme) müssen beachtet werden.
- Die Finanzierung von Heimen, Wohngemeinschaften und Pflegefamilien müssen strikt auf den tatsächlichen Bedarf begrenzt werden, um finanzielle Fehlanreize zu vermeiden. Einrichtungen dürfen keine wirtschaftlichen Interessen daran haben, Kinder dauerhaft in Fremdunterbringung zu behalten. Eine regelmäßige Überprüfung der Mittelverwendung durch den Rechnungshof muss sicherstellen, dass finanzielle Interessen keine Rolle bei Kindesabnahmen spielen.
- Kindesabnahmen aufgrund von Armut sollen ausgeschlossen werden, auch dann, wenn eine Überforderung der Eltern aufgrund ihrer hohen Erwerbstätigkeit aus der finanziellen Zwangslage heraus besteht. Stattdessen sollen die Eltern finanziell unterstützt werden, damit sich zumindest ein Elternteil angemessen um das Kind kümmern kann, ohne durch finanziell nötige hohe Erwerbstätigkeit wieder gefährdet zu werden, in eine Überforderung zu geraten.
- Es muss eine wissenschaftliche Erhebung zum Umgang der Kinder- und Jugendhilfe und Gerichten mit Gewaltvorfällen gegen Frauen und Kinder geben.
- Eine regelmäßige Evaluierung der Zustände in Heimen und Wohngemeinschaften muss eingeführt werden. Dabei sind insbesondere folgende Punkte zu untersuchen:
- Missbrauch von Psychopharmaka in der Fremdunterbringung, insbesondere ob Kinder unnötig medikamentös ruhiggestellt werden. Es muss eine unabhängige Überprüfung geben, ob und in welchem Ausmaß Kinder in Heimen oder Pflegefamilien Psychopharmaka verabreicht bekommen. Medikamentöse Ruhigstellung darf nicht missbraucht werden, um unerwünschtes Verhalten zu unterdrücken. Alle psychopharmakologischen Behandlungen müssen ärztlich überprüft, dokumentiert und auf ihre medizinische Notwendigkeit hin untersucht werden.
- Häufigkeit und Ursachen von weggelaufenen Kindern und Jugendlichen aus Heimen oder Pflegefamilien müssen dokumentiert werden, um Missstände in der Betreuung und den Lebensbedingungen in den Einrichtungen aufzudecken.
- Langfristige Auswirkungen von Fremdunterbringung, insbesondere in Bezug auf Schulbildung, psychische Gesundheit und spätere Berufschancen müssen erhoben werden.
- Diese Daten müssen regelmäßig veröffentlicht und für unabhängige Untersuchungen zugänglich gemacht werden.
- Die Frühunterstützung, die Abnahme und die Rückführung müssen jeweils von unterschiedlichen Personen entschieden werden.
- Sollte die Kindesabnahme zu Unrecht erfolgt sein, so müssen die Opfer, das sind die Obsorgeberechtigten und die Kinder, kostenlose Prozesshilfe zur Durchsetzung des Schadenersatzes bekommen.
- Die ehemals Obsorgeberechtigten müssen umgehend das Recht auf kostenlosen Rechtsbeistand zugesprochen bekommen, selbst dann, wenn sie nicht bedürftig sind. Eine Kindesabnahme ist ein schwerer Eingriff in die Menschenrechte.
- Umgehend nach der Kindesabnahme muss ein Kontaktrecht für leibliche Eltern und Kinder eingerichtet werden, das ihnen einen Kontakt jeden zweiten Tag ermöglicht, außer es kam zu Gewalt durch die leiblichen Eltern.
- Eine Kindesabnahme aufgrund sexuellen Missbrauchs darf nur dann erfolgen, wenn der Täter im selben Haushalt wohnt und langfristig nicht ausziehen kann oder will.
- Kinderrechte bei Kindesabnahmen:
- Kinder müssen ab dem Alter, ab dem sie ihren Willen verbalisieren können (in der Regel ab zwei oder drei Jahren) vom Gericht gehört werden. Dazu muss dem in Obhut genommenen Kind automatisch ein Kinderbeistand zur Seite gestellt werden.
- Der Kindeswille muss in die Entscheidung über die Obsorge und das Kontaktrecht zu den leiblichen Eltern mit einfließen.
- Das in Obhut genommene Kind muss umgehend und vollumfänglich über den Grund der Kindesabnahme, den weiteren Prozess und seine Rechte aufgeklärt werden.
- Die Kinder müssen umgehend nach der Kindesabnahme den Kontakt der zuständigen Kinder- und Jugendanwaltschaft übermittelt bekommen. Sie müssen darüber hinaus die Möglichkeit bekommen, die Kinder- und Jugendanwaltschaft ungestört zu kontaktieren. Das heißt, sie müssen eine Möglichkeit zu telefonieren bekommen, ohne dass etwa Pflegeelternteile oder Mitarbeiter*innen der Kinder- und Jugendhilfe anwesend sind.
- Es müssen ausreichende finanzielle Mittel für Kinder, die tatsächlich in staatlichen Einrichtungen untergebracht werden müssen, zur Verfügung gestellt werden.
- Es braucht dringend Statistiken, die eine Untersuchung auf Diskriminierung zulassen: Es muss bei jeder Kindesabnahme erfasst werden, ob die Familie Migrationshintergrund hatte, ob das Kind aus einem Ein-Eltern-Haushalt stammt, andere mögliche Diskriminierungsgründe wie Armut und ihre Folgen, Krankheit eines Elternteils, Behinderung etc.
Schutz vor finanzieller Gewalt
Forderung zur systematischen Datenerhebung und Monitoring
- Im Rahmen von Gender-Budgeting: Erhebung der Auswirkung der Maßnahmen speziell auf Alleinerzieherinnen
- Jährliche Erhebung der Inflationsrate für Alleinerzieherinnen und Anpassung der Sozialleistungen auf Basis dieser Inflationsrate
- Weitere Studien zur Erhebung der Gründe für die Armut und Ausgrenzung von Alleinerzieherinnen und ihren Kindern in Österreich, insbesondere im europäischen Vergleich
- Studie zur Erforschung effektiver Maßnahmen zur Beendigung der Kinderarmut von Alleinerzieherinnen
- Im Rahmen der EU Kindergarantie: Erhebung der Auswirkungen der Maßnahmen auf Kinder von Alleinerzieherinnen und Kinder in Mehr-Erwachsenen-Haushalten.
- Regelmäßige Erhebung der Höhe des Kindesunterhalts, zum Beispiel im Rahmen der EU SILC Befragung
- Erhebung der Altersarmut von ehemaligen Alleinerzieherinnen
Kindesunterhalt
Die Berechnung und die Bestimmungen zum Kindesunterhalt müssen gesetzlich festgeschrieben werden. Derzeit beruhen alle Regeln auf der Rechtsprechung, doch wir sind überzeugt: Die Lebensgrundlage von hunderttausenden Trennungskindern in Österreich muss durch einen demokratischen Prozess über die Gesetzgebung festgelegt werden. Ihr Schicksal ist zu wichtig, um es von einer Hand voll Höchstrichter*innen bestimmen zu lassen. Auch wenn eine individuelle Betrachtung wichtig ist, wird sie häufig dazu benutzt, das Einkommen und die Vermögen der Unterhaltsschuldner*innen zu schonen, während sie Alleinerzieherinnen und ihre Kinder in Armut und Ausgrenzung stürzt. Alleinerzieherinnen werden durch ihr hohes Armutsrisiko systematisch von der gerichtlichen Durchsetzung ihrer Rechte ausgeschlossen. Die hohen Kosten familienrechtlicher Verfahren, das finanzielle Risiko durch rechtsmissbräuchliche Klagen und die strukturelle Benachteiligung bei Prozesskostenhilfe führen dazu, dass viele Mütter gezwungen sind, auf rechtliche Schritte zu verzichten – selbst wenn ihre Rechte verletzt werden. Gleichzeitig nutzen wirtschaftlich besser gestellte Trennungsväter ihre finanziellen Ressourcen strategisch, um Verfahren zu dominieren, gerichtliche Entscheidungen zu beeinflussen und bestehende Ungleichheiten weiter zu zementieren. Dadurch entwickelt sich die ständige Rechtsprechung zunehmend zu ihren Gunsten, während die Rechte von Alleinerzieherinnen und ihren Kindern systematisch ausgehöhlt werden.
Folgende Grundsätze müssen gesetzlich verankert werden:
- Die Prozentsatzmethode muss gesetzlich festgeschrieben werden.
- Die Prozentsätze für alle Altersgruppen müssen erhöht werden.
- Der durchschnittliche Bedarf (Regelbedarf) muss, wie eigentlich vorgesehen, gesetzlich auf die Höhe der valorisierten Kinderkosten für die unterschiedlichen Altersgruppen auf Basis der Kinderkostenanalyse 2021 festgesetzt werden.
- Die Verantwortlichkeit für die Publikation des Regelbedarfs muss der Statistik Austria übertragen werden, die die Valorisierung der Kinderkosten auf Basis des für Alleinerzieherinnen berechneten, individuellem VPI vornimmt.
- Der Regelbedarf muss als absolute Untergrenze des gesetzlichen Kindesunterhalts festgeschrieben werden.
- Der Kindesunterhalt darf nicht aufgrund einer höheren Betreuungsleistung des Unterhaltsschuldners gekürzt werden. Die Kinderkosten des hauptbetreuenden Elternteils reduzieren sich durch die vermehrte Betreuungsleistung nicht oder nur geringfügig (Ausgaben für Wohnen, Kleidung, Haushaltsenergie etc. bleiben gleich). Auch das Ausmaß an Berufstätigkeit kann meist beim hauptbetreuenden Elternteil nicht erhöht werden, während der Mental Load in der Regel gleichbleibt. Kinder werden deshalb in die Armut gestürzt. Die Unterhaltsreduktion schafft zusätzlich falsche Anreize.
- Die „Playboygrenze“ (auch „Unterhaltsstopp“ oder „Luxusgrenze“) muss abgeschafft werden, um der vom Gesetzgeber gewünschten Teilhabe am Lebensstil der Eltern gerecht zu werden. Für eine „pädagogisch schädliche Überalimentierung“ gibt es keine wissenschaftlichen Anhaltspunkte, sie ist eine Erfindung von Höchstrichter*innen. Die derzeitige „Luxusgrenze“ für Kinder zwischen 6 und 10 Jahren liegt sogar unter den tatsächlichen Kinderkosten, wobei diese Kinderkosten nur einen durchschnittlichen Lebensstil annehmen. Laut RA Helene klar ist diese Höchstgrenze auch deshalb nicht nachvollziehbar, denn die Kinder würden im Falle der Nicht-Scheidung ebenfalls vom höheren Lebensstandard des Vaters profitieren ohne pädagogischen Schaden zu nehmen. Die Luxusgrenze führe aber auch dazu, dass Gutverdienende prozentuell auf ihre Einkommen bezogen, einen viel niedrigeren Unterhalt leisten als etwa Hilfsarbeiter.[1]
- Der Zugriff auf das Vermögen, Anlagen und Bargeld des Unterhaltsschuldners muss immer dann gesetzlich festgeschrieben sein, wenn der Mindestunterhalt in Höhe der valorisierten Kinderkosten für die Altersgruppe nicht aus dem laufenden Einkommen gedeckt werden kann. Die Unterhaltspfändungsgrenze muss auf die Armutsgefährdungsschwelle erhöht werden, wenn die oder der Unterhaltsschuldner*in selbst Alleinerzieher*in ist.
- Unterhaltsschuldner*innen, die Unternehmer*innen sind, müssen gesetzlich verpflichtet werden, Rücklagen für den Kindesunterhalt auf einem Treuhandkonto zu bilden, solange sie ein gutes Einkommen haben.
- Unterhaltsschuldner*innen, die Unternehmer*innen sind, sollen gesetzlich erst nach einem dauerhaft geringeren Einkommen (3 Jahre) einen Antrag auf Unterhaltsherabsetzung beantragen können.
- Unterhaltsschuldner*innen, die Unternehmer*innen sind, sollen bei anhaltend unzureichendem Einkommen aufgrund ihrer unternehmerischen Tätigkeit auf den Unterhalt angespannt werden können. Kindeswohl geht der Selbstverwirklichung vor!
- Ist der oder die Unterhaltschuldner*in beruflich tätig, ohne selbst dabei wirtschaftlich Einkommen oder Vermögen zu generieren, muss eine Anspannung auf den erwirtschafteten Wert gesetzlich vorgeschrieben sein. Einer Entziehung von Vermögen und Einkommen durch die Überschreibung auf Dritte sollte so vorgebeugt werden.
- Der Kindesunterhalt muss verpflichtend und ohne Aufforderung durch den unterhaltspflichtigen Elternteil geleistet werden. Der betreuende Elternteil darf nicht mit der Einbringung der Unterhaltsforderung belastet werden.
- Die Verpflichtung beider Elternteile, für das Kind auch nach der Trennung zu sorgen, besteht automatisch. Deshalb sollte der Unterhaltsanspruch als vorläufiger Unterhalt umgehend und antragslos in Höhe der valorisierten Kinderkosten ab dem Zeitpunkt der Trennung bestehen. Die betreuenden Elternteile können nicht noch mit der Einbringung des Unterhalts belastet werden.
- Der vorläufige Unterhalt sollte selbstständig vom Gericht mit einer Frist geprüft werden.
- Der Sonderbedarf muss gesetzlich festgelegt werden, mit einer Liste der üblichen Sonderbedarfe.
- Sonderbedarf sollte jedenfalls auch dann zugesprochen werden, wenn Kindesunterhalt über dem Regelbedarf bezahlt wird. Der normale Kindesunterhalt dient zur Deckung der durchschnittlichen Ausgaben des Lebensunterhalts. Gibt es Sonderbedarf, so steht dahinter ein besonderer Grund, etwa gesundheitliche Schwierigkeiten oder eine besondere Begabung. Dieser Bedarf darf nicht zu einer Verarmung der Kinder führen.
Wenn ein Gericht entgegen unserer Forderung ein Wechselmodell per Zwang anordnet, muss der volle Kindesunterhalt trotzdem verpflichtend bleiben. Besonders, wenn ein Elternteil wegen langer Karenz- und Elternteilzeit einen Karriereknick erlitten hat und dauerhaft weniger verdient. Dieser Elternteil kann weniger zum Unterhalt beitragen, was das Risiko von Teilzeitarmut für das Kind erhöht. Um finanzielle Nachteile für das Kind und mögliche Loyalitätskonflikte zu vermeiden, darf der Unterhalt nicht gekürzt werden.
[1] Mairhuber, Sardadvar: „Unterhaltsrecht und Unterhaltslogik im Steuer- und Sozialrecht sowie in weiteren relevanten Rechtsbereichen“; AK Wien, Forba; Wien, 2012. S. 25 https://www.arbeiterkammer.at/infopool/wien/Unterhaltsrecht_Endbericht_07_12.pdf
Unterhaltsvorschuss
Das derzeitige Unterhaltsvorschussgesetz ist derart restriktiv, dass viele Kinder von Alleinerzieherinnen keinen Anspruch darauf haben. Das zeigt auch die Unterhaltsbefragung der Statistik Austria: 36% der Kinder von Alleinerzieherinnen beziehen weder Unterhalt noch Ersatzleistungen. Der Zugang zum Unterhaltsvorschuss muss deshalb erleichtert werden. Auch die Höhe des Unterhaltsvorschuss ist im Vergleich zu den Kinderkosten bei Alleinerzieherinnen zu gering: 2021 betrugen die durchschnittlichen Kinderkosten 900 EUR, während der durchschnittliche Unterhaltsvorschuss 250 EUR betrug. Die Lücke wird in der Regel durch Verzicht wettgemacht, in der Praxis bedeutet das Kinderarmut und Frauenarmut. Insbesondere die Pflicht zum Versuch der Exekution des Kindesunterhalts stellt eine große Hürde für Alleinerzieherinnen dar, gerade, wenn sie von Gewalt betroffen sind.
Unterhaltsgarantie
Wenn Kindesunterhalt und Unterhaltsvorschuss unter den Kinderkosten (valorisiert auf Basis der Kinderkostenanalyse 2021 der Statistik Austria) liegen, muss der Staat einspringen, um Kinderarmut zu verhindern! Jede*r zweite Alleinerzieher*in und ihre Kinder sind laut EU SILC Erhebung von Armut und Ausgrenzung betroffen. Bemisst man die Zahlen an den Kinderkonsumeinheiten, die für Österreich durch die Statistik Austria errechnet wurden, so sind vermutlich sogar zwei von drei Alleinerzieherinnen und ihre Kinder von Armut oder Ausgrenzung betroffen. Eine Unterhaltsgarantie, die jedem Kind einer Alleinerzieher*in die Abdeckung der vollen Kinderkosten (valorisiert, nach Kinderkostenanalyse der Statistik Austria) garantiert, ist eine zielgerichtete Maßnahme, um einen großen Teil der Kinder von Alleinerzieherinnen aus der Armut zu holen. Andere Familienleistungen wie Familienbeihilfe, Sozialhilfe, Kindesunterhalt, Halbwaisenpension und Unterhaltsvorschuss sollen vom Höchstbetrag (Kinderkosten) abgezogen werden.
Die Unterhaltsgarantie rentiert sich: Kindearmut kostet Österreich jährlich 3,6% des BIP. Dabei wurden die Folgekosten der Frauenarmut bei Alleinerzieherinnen noch nicht mitberechnet – auch sie leiden unter schlechterer Gesundheit, höherer Belastung und zukünftiger Altersarmut. Eine Unterhaltsgarantie kann auch andere positive Nebeneffekte haben: Konflikte, die oft aufgrund der angespannten finanziellen Situation beider Eltern nach der Trennung entstehen, werden vorgebeugt. Die Unterhaltsgarantie kann auch ein Instrument des Gewaltschutzes sein: Gewaltopfer können sich oft nicht aus der Beziehung lösen, da sie ohne Kindesunterhalt ihr Kind nicht selbst durchbringen können. Sie bleiben deshalb oft in der Gewaltbeziehung. Außerdem kann durch die Unterhaltsgarantie finanzieller Gewalt vorgebeugt werden: Der Kindesunterhalt kann nicht mehr als Druckmittel eingesetzt werden.
Um Kinder in finanziellen Notlagen besser zu schützen, muss die Bearbeitung von Unterhaltsvorschuss-anträgen beschleunigt werden. Die derzeitigen Bearbeitungszeiten sind für betroffene Familien nicht tragbar. Daher sind folgende Maßnahmen notwendig:
- Einführung eines Soforthilfe-Unterhaltsvorschusses, der innerhalb von 14 Tagen nach Antragstellung ausgezahlt wird, um akute finanzielle Engpässe zu überbrücken.
- Verkürzung der Bearbeitungszeit für reguläre Anträge auf maximal vier Wochen.
- Der Rechtsanspruch auf einen Vollzeitplatz in einer Kinderbildungseinrichtung für alle Kinder von Alleinerzieherinnen ab dem 1. Geburtstag.
- Vorrangige Vergabe von Kinderbetreuungsplätzen für Alleinerzieherinnen, um Arbeitsaufnahme und finanzielle Unabhängigkeit zu ermöglichen.
- Umsetzung der Forderungen bezüglich des Kindesunterhalts, des Unterhaltsvorschuss und der Unterhaltsgarantie.
- Kein gemeinsames Sorgerecht, wenn finanzielle Kontrolle als Gewaltmittel eingesetzt wurde
- Dazu zählt insbesondere, wenn ein Elternteil absichtlich Unterhalt vorenthält oder finanziellen Druck ausübt, um das andere Elternteil zu bestimmten Entscheidungen zu zwingen.
- Missbrauch von Kontakt- und Obsorgerechten zur finanziellen Entlastung: Väter, die mehr Betreuungstage oder das Wechselmodell beantragen, um den Unterhalt zu reduzieren, müssen nachweisen, dass sie die Betreuung tatsächlich selbst übernehmen – nicht durch Dritte. Wird die Betreuung nicht überwiegend durch den beantragenden Elternteil selbst ausgeübt, sondern durch Partnerinnen, Großeltern oder externe Betreuungspersonen, darf dies keinen Einfluss auf die Unterhaltsreduzierung haben.
- Bevorzugter Zugang zu Sozialwohnungen für Alleinerzieherinnen mit niedrigem Einkommen.
- Kostenlose Notfallbetreuung für Kinder von Alleinerzieherinnen, wenn der betreuende Elternteil krank wird oder einen unvorhergesehenen Notfall hat.
- Mehr finanzielle Mittel für Alleinerzieherinnen mit Kindern mit besonderen Bedürfnissen, um Mehrkosten für Betreuung und Förderung abzudecken.
- Einführung eines Überbrückungsgeldes für Alleinerzieherinnen nach Trennung oder bei Flucht vor Gewalt, um Einkommensverluste abzufangen.
- Verlängerung des Anspruchs auf Karenzgeld und andere Sozialleistungen bei Trennung, damit die Mutter nicht unmittelbar nach der Trennung in finanzielle Not gerät.
Schutz vor struktureller, finanzieller Diskriminierung von Alleinerzieherinnen
Alleinerzieherinnen werden sowohl bei staatlichen Familienleistungen als auch bei Sozialleistungen strukturell diskriminiert. Familienleistungen sind, wie etwa der Partnerschaftsbonus oder die längere Bezugszeit des Kinderbetreuungsgelds bei geteilter Inanspruchnahme ausschließlich auf Paarfamilien ausgelegt. Der Bezug des Partnerschaftsbonus und der verlängerte Bezug des Kinderbetreuungsgelds durch Alleinerzieherinnen ist von vornherein ohne Ersatzleistungen ausgeschlossen. Bei Sozialleistungen wird oft die Armutsgefährdungsgrenze oder andere Einkommensgrenzen als Zugangsberechtigung festgelegt, bei denen die höheren Kosten nicht mit einberechnet werden. Die Armutsgefährdungsgrenze, die von Eurostat vorgegeben ist, unterschätzt die Armut von Alleinerzieherinnen und ihren Kindern in Österreich bei weitem, was aus den Kinderkonsumeinheiten, die im Rahmen der Kinderkostenanalyse der Statistik Austria 2021 errechnet wurden, hervorgeht. Andererseits überschätzt die Armutsgefährdung die Armut von Paarfamilien. Die Folge davon ist, dass Paarfamilien mit Kindern bereits Zugang zu Sozialleistungen haben, wenn sie noch nicht armutsbetroffen sind. Gleichzeitig haben Alleinerzieherinnen, die rechnerisch auf Basis der Äquivalenzzahlen der Kinderkostenanalyse bereits von Armut betroffen sind, keinen Zugang zu Sozialleistungen. Sie werden strukturell vom Bezug ausgeschlossen. Alleinerzieherinnen zählen überdurchschnittlich häufig zu den „Working Poor“ und werden so auch von vielen anderen staatlichen Vergünstigungen ausgeschlossen. So zum Beispiel von der OBS-Gebührenbefreiung, wenn keine anderen Kriterien vorliegen, oder auch der Rezeptgebührenbefreiung.
FEM.A fordert für:
Staatliche Familienleistungen und Sozialleistungen
- Alleinerzieherinnen dürfen nicht strukturell von Familienleistungen ausgeschlossen werden. Für bestehende Familienleistungen müssen entsprechende Ersatzleistungen geschaffen werden. Das gilt insbesondere für:
- Partnerschaftsbonus
- längeren Bezugszeit des Kinderbetreuungsgelds bei Inanspruchnahme durch beide Elternteile (Trennungsväter sind vom KBG ausgeschlossen)
- Familienzeitbonus
- Die Höhe der Familienleistungen müssen der Realität der Alleinerzieherinnen angepasst werden. Insbesondere die Familienhospizkarenz, die Familienhospizteilzeit, die Pflegekarenz und die Pflegekarenzteilzeit müssen so gestaltet werden, dass Alleinerzieherinnen nicht etwa vom Verlust ihrer Wohnung bedroht sind, weil ein zweites Einkommen im Haushalt fehlt, während sie ihr krankes oder pflegebedürftiges Kind betreuen.
- Vor der Einführung neuer Familienleistungen muss überprüft werden, ob sie Alleinerzieherinnen in gleichem Maße zugutekommen. Es ist dabei der Maßstab der Haushalte, nicht der erwachsenen Personen heranzuziehen.
- Familienleistungen müssen in dem Haushalt ausbezahlt werden, in dem das Kind hauptsächlich betreut wird. Eine Aufteilung zwischen getrennten Eltern muss ausgeschlossen werden, etwa beim Familienbonus oder der Familienbeihilfe.
- Eine Anrechnung der Familienleistungen auf den Kindesunterhalt muss systematisch ausgeschlossen werden, damit die Leistungen den Kindern zugutekommen.
- Von einer steuerlichen Entlastung von Unterhaltspflichtigen ist so lange abzusehen, bis der Kindesunterhalt, der je Kind bezahlt wird, zumindest die valorisierten Kinderkosten je Altersgruppe laut Kinderkostenanalyse 2021 (Statistik Austria) erreicht hat. Nur der Betrag, der diese Kinderkosten übersteigt, soll steuerlich entlastet werden können.
- Steuerliche Familienleistungen sollen immer als Negativsteuer ausbezahlt werden, damit einkommensarme Familien in gleichem Maße profitieren.
- Sozialleistungen für Familien müssen für den Zugang entweder Einkommensgrenzen auf Haushaltsebene, unabhängig von der Anzahl der Erwachsenen im Haushalt haben, oder es müssen Maßstäbe geschaffen werden, die den fast doppelt so hohen Kinderkosten in Ein-Eltern-Haushalten Rechnung tragen. Dies soll sichern, dass Alleinerzieherinnen nicht strukturell vom Zugang zu staatlichen Hilfsleistungen ausgeschlossen werden.
- Kostenlose Krankenversicherung für alle nicht versicherten Alleinerzieherinnen und ihre Kinder.
Wohnarmut
- Auch der Zugang zur Wohnbeihilfe muss sich an den Maßstäben der Kinderkostenanalyse 2021 orientieren.
- Der Bedarf an Wohnraum von Ein-Eltern-Familien beim Bezug von Wohnbeihilfe muss besser angepasst werden: Ein-Eltern-Haushalte brauchen die gleiche Anzahl an Zimmern, da Eltern in der Regel im selben Zimmer schlafen. Der Bedarf an gemeinschaftlich genutzter Fläche verringert sich durch den Auszug eines Elternteils nicht. Der Wohnbedarf eines Ein-Eltern-Haushalts mit einem Kind ist auch zum Beispiel nicht mit dem Wohnbedarf eines Pärchens zu vergleichen. Eine Berechnung des Wohnbedarfs darf sich nicht rein nach der Anzahl der Personen richten, sondern muss auch die Familienkonstellation miteinbeziehen.
- Darüber hinaus ist zu bedenken, dass Alleinerzieherinnen am Wohnungsmarkt häufig diskriminiert werden: Sie haben ein geringes Einkommen im Vergleich zu den Mietkosten, auch Kinder sind nicht in jedem Gebäude willkommen. Nicht in allen Gemeinden haben Alleinerzieherinnen automatisch Zugang zu Gemeindewohnungen. In Genossenschaftswohnungen wird oft ein hoher Genossenschaftsanteil verlangt, den Alleinerzieherinnen nicht bezahlen können. Auch ein Umzug ist für Alleinerzieherinnen oft zu teuer und kann organisatorisch nicht bewältigt werden. Deshalb müssen viele Alleinerzieherinnen nach der Trennung an ihrem bisherigen Wohnort wohnen bleiben. Für Mietkosten und Größe des Wohnbedarfs ist deshalb ein höherer Maßstab anzusetzen.
- Alleinerzieherinnen müssen bundesweit Zugang zu Gemeindewohnungen bekommen.
- Geförderte Genossenschaften müssen die soziale Vergabe öffentlich dokumentieren, damit Alleinerzieherinnen leichter Zugang bekommen.
- Der Wohnschirm muss dauerhaft abgesichert werden.
- Ein bundesweites Eigenmittelersatzdarlehn unabhängig vom Bauzeitpunkt der Genossenschaftswohnung muss für Alleinerzieherinnen eingeführt werden.
Ausgleich für Care-Arbeit
Mütter übernehmen in Österreich immer noch den Großteil der Care-Arbeit für Kinder. In den ersten vier Jahren bekommen sie dafür einen Ausgleich auf ihr Pensionskonto. Als Zeiten der Kindererziehung werden maximal 48 Monate nach der Geburt eines Kindes berücksichtigt. Die Beitragsgrundlage für die Pension während der Zeit der Kindererziehung beträgt aber etwa die Hälfte der Einkommen von ganzjährig Vollzeit beschäftigten Männern. Auch das Pensionssplitting ist freiwillig und wird überproportional von Männern in Anspruch genommen. Während der Betreuungszeit selbst gibt es keinen Ausgleich für die Care-Arbeit. Auch der Karriereknick selbst wird nicht ausgeglichen.
- Die Anhebung der Bemessungsgrundlage für die Zeit der Kindererziehung auf den jeweils in der EU SILC Befragung erhobenen Median der Einkommen von ganzjährig Vollzeit beschäftigten Männern.
- Ausweitung der Anrechnung von Kindererziehungszeiten und der Gutschriften am Pensionskonto, degressiv bis zur Volljährigkeit des jüngsten Kindes.
- Automatisches Pensionssplitting
- Bezahlung der Care-Arbeit durch eine Betreuungsumlage mit einer Finanzierung analog zum FLAF.
- Mindestens sechs Monate verpflichtende Karenz für Väter, außer bei Gewalt und strittigen Trennungen.
Schutz und Unterstützung für alleinerziehende Mütter mit Behinderungen
Alleinerziehende Mütter mit Behinderungen sind besonders häufig Diskriminierung durch Behörden ausgesetzt. Statt individuelle Unterstützung bereitzustellen, werden sie oft mit unrealistischen Anforderungen konfrontiert oder in ihrer Erziehungsfähigkeit grundlos infrage gestellt.
- Schutz vor diskriminierenden Entscheidungen durch die Kinder- und Jugendhilfe: Keine Kindesabnahmen aufgrund von Vorurteilen gegenüber Müttern mit Behinderungen, wenn keine konkrete Kindeswohlgefährdung vorliegt.
- Verpflichtende Schulungen für Richter*innen, Gutachter*innen und Mitarbeiter*innen der Kinder- und Jugendhilfe zu den Rechten von Eltern mit Behinderung und zur UN-Behindertenrechtskonvention.
- Berücksichtigung der tatsächlichen Lebensrealität: Keine unrealistischen Anforderungen an Mobilität, Haushaltstätigkeiten oder Betreuungskapazitäten von Müttern mit Behinderungen, wenn bereits angemessene Unterstützung vorhanden ist.
- Sicherstellung barrierefreier Unterstützungsangebote durch die Kinder- und Jugendhilfe, darunter Assistenzleistungen, flexible Betreuungsmöglichkeiten und individuelle Hilfen, anstatt Druck zur Fremdunterbringung der Kinder auszuüben.
- Einrichtung spezialisierter Beratungsstellen für Mütter mit Behinderungen, um ihnen eine unabhängige Anlaufstelle für rechtliche und praktische Unterstützung zu bieten.
Diskriminierung von Alleinerzieherinnen in der Gesellschaft
Alleinerzieherinnen in Österreich werden systematisch in Staat und Gesellschaft diskriminiert. Selbst in wissenschaftlichen Arbeiten und Studien wird von „zerbrochenen“ Familien gesprochen, oder Alleinerzieherinnen in Gegensatz zu „intakten“ Familien gestellt. Besonders der Oberste Gerichtshof setzt Familien mit getrennten Elternteilen immer wieder in Gegensatz zu „intakten“ Familien, so zum Beispiel hier:
„Bei einem existenznotwendigen Sonderbedarf, insbesondere bei gesundheitsbedingten Aufwendungen, oder gegenüber besonders förderungswürdigen Kindern sei auch eine Überschreitung der Prozentkomponente zulässig. Zu berücksichtigen sei insbesondere, ob auch in einer intakten Familie und unter Berücksichtigung der konkreten Einkommens- und Vermögensverhältnisse eine Deckung des konkreten Sonderbedarfes unter objektiven Gesichtspunkten in Betracht gezogen würde. Auch in einer intakten Familie würde der für den Besuch einer höheren Schule erforderliche Ankauf eines Computers in Betracht gezogen werden.“
Auch der OGH-Richter Gitschthaler widmet in seinem Werk „Unterhaltsrecht“ ein ganzes Kapitel dem Vergleich von Familien mit getrennten Elternteilen und der „intakten Familie“. (vgl. „Unterhaltsrecht“, Gitschthaler, Wien, 2019, S. 109 ff.).
Die Verwendung derartiger Begriffe prägt maßgeblich die gesellschaftliche Wahrnehmung von Alleinerzieherinnen und verstärkt bestehende Vorurteile. Solche Bezeichnungen suggerieren, dass Ein-Eltern-Familien per se defizitär oder unvollständig seien und reduzieren sie auf das vermeintliche Fehlen eines zweiten Elternteils, anstatt sie als vollwertige Familien anzuerkennen. Dies führt dazu, dass Alleinerzieherinnen häufig als Problemfälle oder gescheiterte Lebensentwürfe betrachtet werden, anstatt als eigenständige, leistungsfähige Eltern, die trotz gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Benachteiligungen Verantwortung für ihre Kinder übernehmen. Die ständige Gegenüberstellung mit sogenannten „intakten Familien“ verstärkt soziale Ausgrenzung, erschwert die gesellschaftliche Anerkennung ihrer Lebensrealität und kann dazu führen, dass Alleinerzieherinnen in Politik, Arbeitsmarkt und Justizsystem nicht ernst genommen oder benachteiligt werden. Indem sie als „gebrochene“ Familien dargestellt werden, wird ihnen die Fähigkeit abgesprochen, ihren Kindern ein stabiles, liebevolles und förderliches Umfeld zu bieten – eine Annahme, die durch zahlreiche Studien widerlegt wurde. Um diese Stigmatisierung zu durchbrechen, muss sich der gesellschaftliche Diskurs von defizitorientierter Sprache lösen und Ein-Eltern-Familien als gleichwertige Familienform anerkennen.
FEM.A fordert deshalb ein Ende der diskriminierenden Sprache gegenüber Alleinerzieherinnen in Politik, Medien und Behörden und die Anerkennung von Ein-Eltern-Familien als gleichwertige Familienform:
- Erstellung eines Leitfadens zum Sprachgebrauch im Zusammenhang mit Ein-Eltern-Familien
- Verbot diskriminierender Begriffe in offiziellen Dokumenten und Behördenkommunikation
- Keine Verwendung von Begriffen wie „zerbrochene Familie“, „kaputte Familie“ oder „unvollständige Familie“ in Gesetzestexten, amtlichen Dokumenten, Behördenkommunikation und Medien
- Klare Begriffsregelungen, die Ein-Eltern-Familien als gleichwertige Familienform anerkennen, z. B. „Ein-Eltern-Familie“, „Alleinerzieherinnen“ oder „Alleinerziehendenhaushalt“.
- Sensibilisierung und verpflichtende Schulungen für Fachkräfte, insbesondere in der Rechtsprechung, Gesetzgebung und den Medien
- Verpflichtende Schulungen für Justiz, Sozialarbeit, Pädagogik und Behörden zum Thema diskriminierungsfreie Sprache und die Realität von Ein-Eltern-Familien.
- Berücksichtigung in familiengerichtlichen Verfahren, damit Richter*innen und Sachverständige nicht mit Vorurteilen arbeiten, die Ein-Eltern-Familien als defizitär einstufen.
- Verbindliche Leitlinien für Mitarbeiter*innen der Kinder- und Jugendhilfe, damit die Sprache in Berichten und Gutachten neutral und nicht stigmatisierend ist.
- Richtlinien für Medienförderung, die diskriminierende Berichterstattung über Ein-Eltern-Familien ausschließen.
- Förderung von Studien über die Stärken von Alleinerzieherinnen, um bestehende Narrative zu hinterfragen und positive Familienmodelle sichtbar zu machen.
- Berücksichtigung der Perspektive von Alleinerzieherinnen in politischen und wissenschaftlichen Publikationen, um eine realistische Darstellung ihrer Lebensrealität zu gewährleisten.
- Gleichstellungspolitische Maßnahmen für Ein-Eltern-Familien
- Anerkennung von Ein-Eltern-Familien als gleichwertige Familienform in familienpolitischen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass sie nicht als „Notlösung“ oder defizitäre Struktur betrachtet werden.
- Einführung eines „Familiengleichstellungsberichts“, der regelmäßig überprüft, ob politische Maßnahmen Alleinerzieherinnen diskriminieren oder benachteiligen.
- Klare Abgrenzung von Ein-Eltern-Familien zu problematischen familiären Strukturen (z. B. Gewalthaushalte), um sicherzustellen, dass nicht pauschalisiert wird.