Wie das Familien- und Unterhaltsrecht feministischer und gerechter gestaltet werden kann.
Donnerstag, 21. Oktober 2021 | 18:00 bis 20:00 Uhr – Einlass ab 18:00 Uhr, Start der Veranstaltung um 18:15 Uhr
Online-Veranstaltung von Verein FEM.A und HeForShe Vienna auf Zoom – Teilnahmelink: https://zoom.us/j/97635722358
Mit der Einführung des Obsorgegesetzes im Jahr 2013 erfolgte ein massiver Backlash auf Kosten der Mütter und Kinder. Die Väterrechtsbewegung, die seit den 1990er Jahren kontinuierlich an Einfluss gewonnen hat und die Väter medial propagiert zu angeblichen Opfern stilisiert, hat viele ihrer Forderungen durchgesetzt. Die tatsächlichen Familienverhältnisse wie Gewalt durch (Ehe)Männer, Übernahme der ganzen Care-Familienarbeit durch die Mütter, etc. werden ausgeblendet. Gleichzeitig stammt die Berechnung des Kindesunterhalts aus einer Studie, die im Jahr 1964 durchgeführt wurde und jährlich nur an die Inflation angepasst wird. Die Folgen sind oft Kinderarmut und Ausgrenzung, da die Hälfte der Alleinerzieherinnen von Armut betroffen ist.
Im aktuellen Regierungsprogramm findet sich die Reform des Kindschafts- und Unterhaltsrechts. Angedacht ist die automatische, gemeinsame Obsorge, auch für nicht verheiratete Paare, und ein teilweise gesetzliche Implementierung der Doppelresidenz durch Drittellösungen. Die Reformen im Familienrecht finden im Namen einer angeblichen Gleichberechtigung unter dem Narrativ des „Rechts der Kinder auf beide Eltern“ statt. Hier geht es jedoch nicht um ein “neues, innovatives Verständnis gemeinsamer, elterlicher Verantwortung”, sondern um einen antifeministischen Backlash, der Mütter nach der Trennung kein selbstbestimmtes Leben führen lässt.
Alleinerzieherinnen bedrohen die heteronormative Kleinfamilie mit patriarchalem Familienoberhaupt, deshalb sollen Trennung und Scheidung für Frauen deutlich erschwert werden. Wenn es eine Frau dennoch schafft, sich zu trennen, soll sie durch die automatische gemeinsame Obsorge und die Regelung einer teilweisen Doppelresidenz wieder in die Abhängigkeit des Mannes gedrängt werden. Eine endgültige Trennung ist für sie nicht möglich.
Gleichzeitig soll es Kürzungen im Unterhalt geben, sobald der Geldunterhaltspflichtige, meistes der Vater, mehr als ein Drittel der Kinderbetreuung übernimmt. Diese Regelung würde zu asymmetrischer Kinderarmut im Haushalt der Mutter führen, da es immer noch einen Genderpay-Gap von mindestens 20 % zwischen Männern und Frauen gibt.
FEM.A – der Verein feministischer Alleinerzieherinnen und HeForShe Vienna nehmen sich des Themas aus einer besonderen Perspektive an: Wir adressieren die Lebensrealitäten von Alleinerzieherinnen als (nicht allein) obsorgeberechtigte Frauen mit hohen Kinderkosten und vielfachen Care-Verantwortungen und nehmen Väter als Teil der Lösung aktiv in ihre Verantwortung für einen nachhaltigen Wandel. Gemeinsam mit Expert*innen beleuchten wir, wie es um die derzeitige Gesetzeslage im Familienrecht, im Unterhaltsgesetz und die tatsächlichen Kinderkosten steht und was es braucht, um sie neu und gerechter zu gestalten.
Panelist*innen:
Mag. Dr. Judith Kolb ist Rechtsanwältin in Graz mit dem Schwerpunkt Familien-recht und eingetragene Mediatorin. Im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit hat sie zahlreiche Pflegschafts- und Unterhaltsverfahren vor Gerichten geführt und zudem ist Dr. Judith Kolb Lektorin an der TU Graz und FH Campus 02.
Mag.a Maria Kemmetmüller ist stellvertretende Geschäftsführerin bei der ASB Schuldnerberatungen GmbH (asb), der Dachorganisation der Schuldenberatungen in Österreich. Sie ist seit 20 Jahren in unterschiedlichen Funktionen für die asb tätig. Unter anderem ist die studierte Handelswissenschaftlerin federführend an der Erstellung der jährlichen Referenzbudgets beteiligt. Die Referenzbudgets der asb sind Ausgabenraster, die anzeigen, welche monatlichen Kosten für einen angemessenen, aber bescheidenen Lebensstil nötig sind. 2020 wurden erstmals auch Referenzbudgets für Kinder und Jugendliche erstellt.
Gerhard Wagner, MSc hat einen betriebswirtschaftlichen sowie sozioökonomischen Hintergrund mit Schwerpunkten in Diversitäts- und Gleichstellungsfragen. Als bekennender Feminist gründete er den Verein HeForShe Vienna und leitet diesen seither als ehrenamtlicher Obmann. Seinen leidenschaftlichen Einsatz für mehr Gleichstellung machte er auch zum Beruf. Nach einem Jahr im Dezernat Gender Mainstreaming der Stadt Wien erfolgte ein Wechsel zu Deloitte Österreich, wo er Unternehmen zu Fragestellungen rund um die Themen Gleichstellung, Diversität & Inklusion begleitete. Seit Juli 2021 ist Gerhard Wagner als Experte für Gender Balance und Diversität in der Wiener Stadtwerke Gruppe tätig.