Wie sich alleinerziehende Mütter gegen die Allmacht der Familiengerichtshilfe zur Wehr setzen können

Wie sich alleinerziehende Mütter gegen die Allmacht der Familiengerichtshilfe zur Wehr setzen können

Zehn Jahre Familien- und Jugendgerichtshilfe. Ein Hilfsapparat übernimmt die Macht in Pflegschaftsverfahren.

Webinar mit Dr.in Judith Kolb| Donnerstag, 7.12.2023, 19.00 – 21.00 Uhr

Die Einrichtung der Familien- und Jugendgerichtshilfe soll nach den Erläuterungen zur Regulierungsvorlage des KindNamRÄG 2013 die Qualität und Nachhaltigkeit der Streitschlichtung und gerichtlichen Verfahren und Entscheidungen in Angelegenheiten der Obsorge und des Kontaktrechts verbessern. Ein Pilotprojekt mit dem Ziel, als Hilfsapparat Gerichte zu entlasten und Verfahren zu beschleunigen, wurde innerhalb der letzten zehn Jahre zu einem fixen Bestandteil fast jeden Pflegschaftsverfahrens.

Die Familiengerichtshilfe ist eine mit meist sehr jungen Psycholog*innen, Bildungs- und Erziehungswissenschaftler*innen sowie Sozialarbeiter*innen besetzte Stelle, die als Hilfsorgan des Gerichts fungiert und unterschiedliche Aufgaben hat. Sie kann etwa in Kontaktrechtsverfahren als Besuchsmittlerin eingesetzt werden, um bei Konflikten zwischen den Eltern zu vermitteln und die ordnungsgemäße Übergabe des Kindes zu überwachen. Sie führt im Auftrag des Pflegschaftsgerichts sogenannten Clearingverfahren durch. Dabei wird in einem persönlichen Gespräch mit den Beteiligten versucht, eine einvernehmliche Lösung zu finden. Wenn dies nicht möglich ist, kann die Familiengerichtshilfe eine Mediation, Elternberatung oder andere geeignete Maßnahmen vorschlagen, die eine einvernehmliche Lösung zwischen den Eltern herbeiführen könnten. Darüber hinaus kommt der Familiengerichtshilfe aber auch eine besondere Rolle bei der Entscheidungsfindung in Obsorge- und Kontaktrechtsstreitigkeiten zu. Das Gericht kann nämlich die Familiengerichtshilfe damit beauftragen, eine Stellungnahme zu erstellen, in welcher sie den zugrundeliegenden Sachverhalt durch Einvernahme der Eltern, des Kindes oder anderer Beteiligter, feststellt.

Die Praxis zeigt, dass die Zielsetzung, Verfahren zu beschleunigen, durchaus erreicht wird und auch zahlreiche Verfahren durch das Clearing einer (nach außen dargestellten) „einvernehmlichen“ Lösung zugeführt werden können. Problematisch dabei erweist sich aber zunehmend, dass sowohl der Clearingprozess als auch das Verfahren zur Feststellung des Sachverhaltes weder transparent noch objektiv geführt wird. Insbesondere zeigt sich, dass vor allem Mütter der besonderen Willkür und Allmacht der Familiengerichtshilfe ausgesetzt sind. Wenn auch eine Entlastung der Gerichte dringend erforderlich ist, so werden zwischenzeitig richterliche Tätigkeiten weitgehend ausgelagert, was zu einem erheblichen Rechtsschutzdefizit führt. Denn obwohl der Familiengerichtshilfe eine Fülle an Aufgaben zukommt, erfolgt ihre Tätigkeit weitgehend formfrei, der seitens des Gerichts erstatte Auftrag zur Einholung einer Stellungnahme ist intransparent, unbestimmt und nicht nachprüfbar wie dies bei einem Gutachtensauftrag der Fall wäre. Vielfach wird der Akt an die Familien- und Jugendgerichtshilfe weitergeleitet, ohne Ermittlungsmaßnahmen zu konkretisieren. Nicht selten wird der Akt seitens der Gerichte sogar bereits zu Beginn eines Pflegschaftsverfahrens an die Familiengerichtshilfe weitergeleitet und hat sich der Richter sohin selbst nie einen Eindruck über die Parteien und das Verfahren verschafft. Parteien und deren Vertreter werden von den Erhebungen weitgehend ausgeschlossen, Zeug*innen einvernommen ohne Parteien dabei das Recht zu gewähren, Fragen zu stellen. Die fachlichen Anforderungen an Mitarbeiter*innen der Familiengerichtshilfe sind gesetzlich nicht geregelt, die bei der Entscheidungsfindung herangezogene Literatur der Willkür der Familiengerichtshilfe überlassen, die weitgehend einseitig, vielfach sehr väterfreundlich ist.

In der Praxis führt dies schlussendlich dazu, dass die Familiengerichtshilfe dann selbst entscheidet, welche Erhebungen sie durchführt, einen Bericht verfasst und darin Empfehlungen abgibt, der die Gerichte nahezu immer (ungefragt und ungeprüft) folgen. So trifft schlussendlich die Familiengerichtshilfe, sohin Mitarbeiter*innen deren Qualifikation nicht spezifisch geregelt sind, die Entscheidung über Obsorge- und Kontaktrechtsstreitigkeiten, welche weitgehend nicht nachprüfbar sind und wesentliche Verfahrensrechte der Parteien ausgehebelt wurden. Dies obgleich in einem rechtsstaatlichen System immer noch unabhängige, unabsetzbare und unversetzbare Richter*innen nach Durchführung eines Beweisverfahrens, das auf eigenen Wahrnehmungen und dem Finden von Entscheidungen basiert, Entscheidungen treffen sollten. In den Empfehlungen der Familiengerichtshilfe werden wesentliche Beweisergebnisse nur zusammengefasst wiedergegeben, Befragungen finden nicht nur ohne Beteiligung der Parteien bzw. deren Anwält*innen statt, was zur Aushebelung der Wahrheitsfindung beiträgt, da dadurch kritisches Nachfragen möglich wäre, sondern wird in den meisten Fällen nicht einmal ein Protokoll erstellt, das die Entscheidungsfindung transparenter machen würde. Dies führt in den meisten Fällen dazu, dass Aussagen unrichtig, völlig aus dem Zusammenhang oder lückenhaft wiedergegeben werden.

Wenn auch schlussendlich eine Äußerung zur Stellungnahme der Familiengerichtshilfe abgegeben werden kann, reicht dies nicht aus, um das oben dargestellte Rechtsschutzdefizit auszugleichen. So soll nämlich nicht nur die Entscheidung selbst, sondern auch die Entscheidungsfindung und Beweiswürdigung überprüfbar sein, wie dies eigentlich in einem Gerichtsprozess der Fall ist.

Besonders betroffen durch diese der Rechtsstaatlichkeit entzogene Entscheidungsfindung sind erfahrungsgemäß Mütter, denen vielfach aufgrund unrichtig wiedergegebener Äußerungen, die aber mangels Protokollierung nicht widerlegt werden können, sehr schnell eine Bindungsintoleranz oder das Schüren eines Loyalitätskonfliktes unterstellt wird. Auffällig ist zudem die Einseitigkeit der Entscheidungsfindung, werden zusammenhanglose Äußerungen der Väter meist völlig positiv verklärt wiedergegeben und Ängste oder Vorbringen der Kindesmütter, selbst wenn dazu Beweise vorgelegt werden, nicht aufgegriffen, sondern als „bindungsintolerant“ (nur ein anderes Wort für die frei erfundene PAS-Theorie) gewertet. So wird vielfach der Eindruck erweckt, als hätten die Väter nahezu ein „freies Spielfeld“, während die Mütter auf einem „Minenfeld“ spazieren gehen.

Die Ergebnisse der Erhebungen und die Argumentation der Familiengerichtshilfe, welche hauptsächlich mit väterfreundlicher Literatur fundiert werden, sind schlussendlich nicht selten vernichtend für die Mütter und verklärend für die Väter.

Das Webinar soll Mütter dabei unterstützen, ein Bewusstsein zu schaffen, was sie im Zuge der Erhebungen erwartet. Dies unter dem Motto, wer seine*n Gegner*in kennt, ist klar im Vorteil.

Behandelt werden folgende Themen:

  • Was ist die Familien- und Jugendgerichtshilfe und wie ist sie aufgebaut. Was ist der Aufgabenbereich der Familien- und Jugendgerichtshilfe und wie finden Erhebungen statt.
  • Welche Rechte haben Parteien grundsätzlich in einem Verfahren und welche dieser Rechte werden vielfach durch die Familien- und Jugendgerichtshilfe untergraben.
  • Stellungnahme der Familien- und Jugendgerichtshilfe oder Sachverständigengutachten.
  • Welche Literatur wird seitens der Familiengerichtshilfe hauptsächlich verwendet, wie argumentiert die Familien- und Jugendgerichtshilfe und wie können Mütter ihre Einvernahme, angelehnt an diese Literatur vorbereiten. In diesem Zusammenhang werden wiederkehrende Argumentationen der Familiengerichtshilfe präsentiert, auf die sich Mütter sohin vorbereiten können (nicht abschließend).
  • Wie „kooperativ“ sollen sich Mütter verhalten und wie erfolgt der Umgang mitden Mitarbeiter*innen der Familiengerichtshilfe.
  • Darf eine Vertrauensperson beigezogen werden und ist dies empfehlenswert.
  • Welche rechtlichen Schritte können gegen eine Stellungnahme der Familiengerichtshilfe gesetzt werden.
  • Abschließende Diskussionsrunde.

Die Vortragende

Dr.in Judith Kolb ist Anwältin in Graz. Sie ist seit 2013 Rechtsanwältin und hat seit 1. August 2023 eine eigene Kanzlei in Graz. Ihr beruflicher Schwerpunkt liegt im Familienrecht. Im Rahmen ihrer Vertretungstätigkeit in Pflegschaftsverfahren (Obsorge/Kontaktrecht) sowie auch im Unterhaltsverfahren stellt sich immer wieder die Frage, inwieweit gegen Entscheidungen von Richtern*Innen und Empfehlungen von Sachverständigen Ansprüche definiert werden können. Die Frage der Amtshaftungsansprüche und Schadensersatzansprüche wird kaum Bedeutung beigemessen.

Hast Du schon vorab Fragen oder kannst Du beim Webinar nicht dabei sein? Interessiert Dich ein Aspekt besonders? Dann schicke uns gerne eine E-Mail an event@verein-fema.at unter der Angabe des Namens des Webinars. Wir leiten Deine Frage an die Vortragende weiter und beantworten sie nach Möglichkeit im Webinar.

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