Alleinerziehend – die brutale Wahrheit

Stell dir vor, du bist müde.
Nicht die Art von müde, die man mit Schlaf wegbekommt.
Sondern die Art von müde, die tief in deinen Knochen sitzt.
Die Art von müde, die du versteckst, weil du musst.
Weil es keine zweite Person gibt, die übernimmt.
Weil du nicht zusammenbrechen darfst…nicht heute, nicht morgen, nicht verdammt nochmal irgendwann.

Stell dir vor, du bist allein.
Nicht einsam. Das wärst du manchmal gern.
Nein, du bist allein mit ALLEM.
Allein mit den Rechnungen, die nie weniger werden.
Allein mit der Verantwortung für ein Leben, das nicht nur deins ist.
Allein mit den Tränen deines Kindes, die du auffangen musst, während du selbst innerlich zerbrichst.
Allein mit einem System, das nie für dich gebaut wurde.

Und dann? Dann kommen die Kinder.

Sie sagen, kleine Kinder, kleine Sorgen – große Kinder, große Sorgen.
Und sie haben verdammt nochmal Recht.

Weißt du, was es bedeutet, einen Teenager alleine großzuziehen?
In dieser Welt?
In dieser Welt, die mit TikTok-Fakes, Social-Media-Wahn und Schönheitsidealen aus Plastik ihre Gehirne vergiftet?
In dieser Welt, in der Freundschaften brennen wie Stroh, in der sie geghostet, gemobbt, gedemütigt werden und du kannst sie nicht davor bewahren?
In dieser Welt, in der ein Vape cooler ist als ein Buch, und du betest, dass sie keine härteren Drogen ausprobieren?
In dieser Welt, in der du dein Kind nicht nur gegen die Schule, gegen den Druck, gegen die Gesellschaft schützen musst sondern auch gegen sich selbst?

Kennst du die Nächte, in denen du wachliegst, weil dein Kind nicht redet?
Weil du spürst, dass es leidet, aber es dir nicht sagt?
Weil du weißt, dass es Dinge mit sich trägt, die du nicht tragen kannst?
Weil du siehst, dass es in dieser kaputten Welt versucht, seinen Platz zu finden und du kannst nur beten, dass es überlebt?

Und dann? Dann kommen die Sprüche.
„Naja, du hast dich ja dafür entschieden.“
„Sei froh, dass du Kinder hast.“
„Andere haben es schwerer.“

HALT. DIE. VERDAMMTE. KLAPPE.

Niemand sieht, dass wir die sind, die nie schlafen.
Die, die nie wissen, ob sie es richtig machen.
Die, die arbeiten, kochen, trösten, heilen, erziehen und trotzdem jeden Tag das Gefühl haben, zu versagen.

Und dann stell dir vor, der Vater deines Kindes ist ein Narzisst.

(Oh shit…jetzt habe ich ein `böses` Wort gesagt…dieses Wort ist mittlerweile ein Schimpfwort geworden…jeder schmeißt damit rum, als wüsste er wovon er redet.)


Nicht einfach nur abwesend.
Nicht einfach nur ein „schlechter“ Vater.
Sondern einer, der mit deinem Kind das gleiche Spiel spielt, das er mit dir gespielt hat.
Einer, der nach außen der perfekte Vater ist, aber nur dann auftaucht, wenn es ihm in den Plan passt.
Einer, der eure Kinder als Schachfiguren benutzt, um dich zu manipulieren.
Einer, der sich als Opfer inszeniert, während du die bist, die nachts wachliegt, wenn euer Kind Albträume hat – von ihm.
Einer, der in den Augen von Ämtern und Gerichten als „gleichberechtigter Elternteil“ gilt, obwohl du genau weißt, was er anrichtet.
Und wenn du es ansprichst?
Wenn du es wagst zu sagen, dass dein Kind Schutz braucht?
Dann bist DU die Problematische.

Denn Mütter haben immer die falsche Rolle.
Wir sind immer zu viel oder zu wenig.
Vor Gericht sind wir zu emotional oder zu kalt.
Zu instabil oder zu kontrollierend.
Zu hysterisch oder zu gefühllos.
Egal was wir tun, wir sind das Problem.

Und dann die Ämter.
Die Papierstapel. Die Beweise, die nie genug sind.
Die Jugendämter, die sagen: „Ja, aber ein Kind braucht doch beide Eltern.“
Die Familiengerichte, die sagen: „Sie müssen sich zusammenraufen.“
Die Berater, die dich fragen: „Haben Sie vielleicht einfach nur ein Problem mit ihrem Ex?“
Die Gutachten, die dich in Schubladen stecken, ohne je einen Tag in deinem Leben verbracht zu haben.

Institutionelle Gewalt ist, wenn du mit deinem Kind beim Jugendamt sitzt, während dein Ex seelenruhig behauptet, er sei der perfekte Vater und ich sei die eifersüchtige Ex und sie ihm glauben.
Institutionelle Gewalt ist, wenn dir gesagt wird, dass du kooperieren sollst, während du weißt, dass jede Kooperation dein Kind weiter zerstört.
Institutionelle Gewalt ist, wenn du Jahre kämpfen musst, um etwas zu beweisen, das du jeden Tag in den Augen deines Kindes siehst.

Und dann? Dann kommen die Ärzte.
Die Diagnosen.
„Depression.“
„Burnout.“
Und die Empfehlung: „Sie sollten ein Medikament nehmen.“

Ach ja?
Ich soll ein Medikament nehmen, damit ich es leichter ertrage?
Damit ich ruhiger bin? Damit ich nicht so wütend bin?
Ich soll mich dämpfen lassen, damit ich mich besser in diese kranke Welt einfüge?

Antidepressiva gegen institutionelle Gewalt?
Medikamente gegen finanzielle Sorgen?
Tabletten gegen die Tatsache, dass ich alles alleine trage?

Ich soll mich also legal betäuben lassen, damit ich funktioniere?
Ich soll brav meine Dosis nehmen, während das System mich weiter ausbluten lässt?
Ich soll ruhig sein, damit ich nicht mehr laut werde?

Das wird nicht akzeptiert.
Eine wütende Frau ist unbequem.
Eine traurige Mutter ist untragbar.
Eine erschöpfte Alleinerziehende ist ein Problem, das das System nicht lösen will.

Also was mache ich?
Ich nehme keine Pillen gegen den Schmerz.
Ich nehme keine Tabletten gegen die Wut.
Ich nehme meine Stimme und ich fange an zu schreien.

Ich habe es verdient, ein glückliches, sorgenfreies Leben zu führen.
Medikamente hin oder her.
Therapie hin oder her.
ICH BIN NICHT KRANK.

Ich bin wütend.
Ich bin traurig.
Ich bin erschöpft.

Und das ist verdammt nochmal berechtigt.

Aber hör gut zu:

Stärke ist keine Entscheidung – sie ist ein verdammter Überlebensmechanismus.
Stärke ist nicht bewundernswert…sie ist ein Panzer, den wir tragen müssen, weil es sonst niemand tut.
Stärke ist nicht Freiheit…sie ist Ketten aus Verantwortung, aus Angst, aus Einsamkeit.

Aber weißt du was?
Wir sind es.
Wir stehen auf, jeden verdammten Tag.
Wir tragen Welten auf unseren Schultern.
Wir sind nicht nur Mütter, wir sind Kriegerinnen, Überlebenskünstlerinnen, Schöpferinnen.
Wir sind die, die niemals aufgeben.

Ich will nicht mehr stark sein müssen.
Ich will nicht mehr eine Kriegerin sein müssen, nur um zu überleben.
Ich will nicht mehr bewundert werden, weil ich es „alleine so gut meistere.“
Ich will nicht mehr kämpfen müssen.

Ich will endlich leben.

Und genau dafür werde ich weitergehen.
Nicht für das System.
Nicht für den Applaus.
Nicht für die Bewunderung.

Sondern für mich.
Für meine Kinder.
Für mein verdammtes Recht auf ein Leben, das nicht nur aus Überleben besteht.

Wir sind nicht nur stark. Wir sind die, die das Fundament erschüttern werden.

Über die Autorin:

Kaltrina Berani kommt ursprünglich aus dem Kosovo, ist siebenunddreißig Jahre alt und alleinerziehende Mutter von zwei Teenagern. Sie schreibt seit mehreren Jahren. Bis jetzt hat sie sich nicht getraut mit ihren Texten an die Öffentlichkeit zu gehen, eine Tatsache, die sie jetzt ändern möchte. Ihr Ziel ist es, durch die Veröffentlichung ihrer Texte die Aufmerksamkeit auf Themen wie Alleinerziehen, Gewalt gegen Frauen, Narzissmus und die berufliche und finanzielle Situation von Alleinerzieherinnen zu lenken.

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