Aufschrei ohne Folgen: Gewalt an Frauen und Kindern

Autor: Matthias Meisner, erschienen in Blätter für deutsche und internationale Politik 1/2025Dieser Artikel stammt aus der Ausgabe Januar 2025. Klicken Sie hier, um zur Inhaltsübersicht dieser Ausgabe zu gelangen.

Es sind nur wenige Tage im Spätherbst, an denen eines der wichtigsten gesellschaftspolitischen Themen in Deutschland die gebührende Aufmerksamkeit findet. Am 25. November wird weltweit der Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen begangen. Auch hierzulande jähren sich dann die Rituale, mit denen alarmiert wird: An beinahe jedem Tag ein Femizid, steigende Zahl der Straftaten gegen Frau- en und Mädchen, hohe Dunkelziffer – so präsentierte die Politik im November 2024 die Statistik des Bundeskriminalamts.1 Als ob alle längst verstanden hätten.

„Mehr Härte gegen die Täter und mehr Aufmerksamkeit und Hilfe für die Opfer“ sei angezeigt, verlangt die Bundesinnenministerin, Nancy Faeser (SPD). „Den bedrohten, geschlagenen und um ihr Leben fürchtenden Frauen ist es vollkommen egal, wer regiert“, appelliert die Familienministerin, Lisa Paus (Bündnis 90/Die Grünen), das Thema trotz der vorgezogenen Bundestagswahl nicht aus den Augen zu verlieren. Die erschreckenden Zahlen für 2023: 360 Femizide, Frauen werden getötet, weil sie Frauen sind.2 Dazu 578 versuchte Tötungsdelikte an Frauen und Mädchen – in vier von fünf Fällen ging es dabei um Partnerschaftsgewalt. 52 330 weibliche Opfer von Sexualstraftaten. Mehr als die Hälfte der Opfer war nicht einmal 18 Jahre alt. Es ist gut, dass die Ermittlungsbehörden diese Zahlen erheben. Und selbstredend ist es auch gut, wenn so ein „Gedenktag“ Anlass bietet, mit dem Klischee zu brechen, bei häuslicher Gewalt ginge es um irgendwie geartete Privatangelegenheiten. Aber so bitter es ist: Wenn dieser Text kurz vor Weihnachten erscheint, sind die Schreckmomente rund um den Tag gegen Gewalt an Frauen schon wieder Geschichte. Und verstörend bleibt, dass nach wie vor alle Versuche, dem Einhalt zu gebieten, so schleppend und holprig verlaufen, obwohl sich auch Deutschland mit der Istanbul-Konvention – einem vor zehn Jahren geschlossenen Übereinkommen des Europarats – zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt verpflichtet hat. 3

  1. Bundeskriminalamt, Lagebild „Geschlechts- spezifisch gegen Frauen gerichtete Straftaten“, 19. November 2024, bka.de. ↩︎
  2. Vgl. Von Julia Bellan und Franziska Pröll so- wie Corinna Zander (interaktive Grafik), Femizide vor Gericht. Du gehörst mir, also töte ich dich, faz.net, 22.11.2024. ↩︎
  3. Vgl. DIM, Berichterstattungsstelle geschlechts- spezifische Gewalt, Monitor Gewalt gegen Frauen. Umsetzung der Istanbul-Konvention in Deutschland. Erster Periodischer Bericht, Dezember 2024. ↩︎

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