Der schlimmste Albtraum für alleinerziehende Mütter: eine Kindesabnahme

Vor kurzem hat der Fall der Drillinge, die der alleinerziehenden Anwältin Liane Hirschbrich von der Kinder- und Jugendhilfe (KJH) abgenommen wurden, mediales Aufsehen erregt. Doch das Thema ist nicht neu: Seit Jahren wehren sich Eltern, insbesondere Alleinerzieherinnen, gegen aus ihrer Sicht ungerechtfertigten Kindesabnahmen. Doch ist da etwas dran? Wie kann es so weit kommen?

Manchmal steht am Anfang eine hilfesuchende Mutter, die sich an die Kinder- und Jugendhilfe (vormals #Jugendamt, in Wien #MA11) wendet. Besonders Mütter, die von Anfang an allein sind oder zur Alleinerzieherin werden, wenn ihr Kind noch ein Baby ist, fühlen sich mit der vielen Arbeit und der Verantwortung zu Beginn überfordert. Viele von ihnen stehen auch finanziell allein da und müssen für sich und ihr Kind ohne oder mit geringer staatlicher Unterstützung und ohne die Hilfe des Kindesvaters über die Runden kommen. Andere Mütter, insbesondere Alleinerzieherinnen, werden von jemandem bei der Kinder- und Jugendhilfe gemeldet. Zum Beispiel, wenn die Person meint, dass ein Kind vernachlässigt wird. Die Kinder- und Jugendhilfe muss der Meldung nachgehen und eine sogenannte „Gefährdungsabklärung“ durchführen. Dabei soll festgestellt werden, ob das Kind tatsächlich in Gefahr ist.

Doch wie läuft diese Gefährdungsabklärung ab? Nach welchen Kriterien wird vorgegangen? Wer überprüft die Beurteilung? Was bedeutet „Gefahr im Verzug“ bei einer Kindesabnahme? Welche Hilfsmaßnahmen müssen zuerst angeboten werden? All diese Informationen sucht man vergeblich. Es scheint für Betroffene viel mehr so, als wäre die Kinder- und Jugendhilfe eine Art Black Box, die weder klare Richtlinien, Hilfsangebote noch Regeln hat. Es gibt keinerlei Möglichkeit, Beschwerde einzubringen, ja Eltern haben nicht einmal ein Recht auf Akteneinsicht. Auch beim Kontaktrecht sind Eltern der Behörde ausgeliefert.

Die spärlichen Statistiken über Kindesabnahmen lassen keinen Rückschluss auf mögliche Diskriminierung zu: Es wird weder angeführt, ob die Mutter des abgenommenen Kindes Alleinerzieherin war, ob die Kinder Mehrlinge waren, noch ob sie Migrationshintergrund hat oder armutsbetroffen ist. Wurde ein Kind erst einmal abgenommen, sind die Chancen, es wieder zu bekommen, gering. Das Gericht muss erst nach 8 Tagen darüber informiert werden. Es gibt keine verbindliche Frist, innerhalb derer die Eltern von einer Richterin oder einem Richter angehört werden müssen (die Empfehlung liegt bei vier Wochen). Zum Vergleich: Selbst Festgenommene müssen binnen 24 Stunden eine schriftliche Begründung für die Verhaftung bekommen, bzw. eine gerichtliche Bewilligung. Ihnen werden ihre Rechte erklärt und innerhalt von 48 Stunden müssen sie dem Gericht übergeben werden.

Eltern eines abgenommenen Kindes werden jedoch im Dunkeln gelassen, wann sie ihr Kind wiedersehen werden, auch ihr Kontaktrecht wird massiv eingeschränkt. Oft erfahren sie nicht klar, was ihnen zur Last gelegt wird oder was sie tun müssen, um das Kind wieder zu bekommen. Selbst wenn sie bereits alle von ihnen verlangten Änderungen herbeigeführt haben, wird das Kind nicht zu ihnen zurückgebracht. Manche Mütter dürfen ihr Kind sogar nur einmal im Monat sehen. Das kann so weit gehen, dass sogar Kinder, bei denen sich im Nachhinein festgestellt wird, dass sie zu Unrecht abgenommen wurden, aufgrund der Verfahrenslänge für immer den Pflegeeltern zugesprochen werden: Es wird argumentiert, dass die Pflegeeltern nun die Bezugspersonen sind und deshalb eine Wiedervereinigung mit der Mutter des Kindes traumatisierend wäre.

Doch auch in vielen Jugend-WGs oder Kinderheimen erwartet die Kinder oft ein düsteres Dasein: Es herrscht chronischer Personalmangel und schlechte hygienische Bedingungen. Außerdem kommt es häufig zu sexuellem Missbrauch durch andere Kinder. Auch von Drogenmissbrauch und unsachgemäßer Behandlung mit Psychopharmaka wird berichtet. Obwohl beide Eltern Unterhalt für die ihnen abgenommenen Kinder zahlen müssen, werden die Kinder oft schlecht ausgestattet.

Fest steht: Unabhängig davon, ob eine Kindesabnahme gerechtfertigt war oder nicht: sie stellt einen gravierenden Eingriff ins Familienleben dar. Das Familienleben ist durch die Menschenrechte geschützt. Die Kinder sind durch die Kinderrechte geschützt. Der Schutz des Kindes und des Kindeswohls ist oberstes Gebot! Gerade deshalb ist es wichtig, ungerechtfertigte Kindesabnahmen, die eine schwere Traumatisierung der Kinder, Eltern und des gesamten Familiensystems auslösen können, verhindert werden müssen!

Wir haben recherchiert und uns mit Expertinnen angeschaut, um zu erfahren, was es braucht, damit ungerechtfertigte Kindesabnahmen dorthin verbannt werden, wo sie hingehören: In die dunkle Vergangenheit!

 

Wir fordern:

  • Die Frühunterstützung, die Abnahme und die Rückführung müssen von jeweils unterschiedlichen Personen entschieden werden.
  • Da die Abnahmen jedenfalls zu hoch sind, muss alternativ mehr in die Frühunterstützung der Eltern investiert werden.
  • Es braucht mehr Ressourcen für die Unterstützung im Vorfeld, damit es nicht zur Kindesabnahme kommt.
  • Behebung der Fehler, die aufgrund der „Verländerung“ der Kinder- und Jugendhilfe aufgetreten sind: unterschiedliche Richtlinien in den Ländern, wie zum Beispiel unterschiedliche, zu kurze und nicht adäquate Ausbildung für die Arbeit in der stationären Betreuung von Minderjährigen.
  • Eine standardisierte, öffentliche und transparente Richtlinie zum Vorgehen bei einer Gefährdungsmeldung.
  • Einheitliche Aufklärung von Eltern und Kindern bezüglich des Prozesses der Kindesabnahme, ihrer Rechte und Möglichkeiten.
  • Eine klare Definition, wann „Gefahr im Verzug“ besteht: Eine Kindesabnahme aufgrund von „Gefahr im Verzug“ sollte nur dann zur Anwendung kommen, wenn nachweislich das Leben des Kindes in unmittelbar Gefahr ist. Ansonsten gibt es bereits jetzt den Weg über das Gericht.
  • Eine klare und explizite Definition einer schweren Kindeswohlgefährdung.
  • Die Risikofaktoren bei der Gefährdungsabklärung dürfen keine Diskriminierung beinhalten: Die Familienform (Alleinerzieher*innen), das Geschlecht, die zugeschriebene Herkunft, Religion, Kultur, Gewalterfahrung der Mutter, Krankheit, Armut und ihre Folgeauswirkungen (zum Beispiel eine zu kleine Wohnung) eignen sich nicht zur Feststellung einer Kindeswohlgefährdung, schon gar nicht für Gefahr im Verzug! Das wäre eine schwere Diskriminierung. Insbesondere bei Armut und ihren Folgen sollte eine Verpflichtung zur (finanziellen) Hilfe bzw. Wohnraumbeschaffung vonseiten des Staats bestehen.
  • Eine verbindliche Deadline für Pflegschaftsgerichte, die Kindesabnahme zu beurteilen, damit zu Unrecht abgenommene Kinder nicht aufgrund der langen Fristen den Pflegeeltern zugesprochen werden.
  • Das sofortige Ende von Polizeieinsätzen, bei denen Kinder gegen ihren Willen und ohne Vorliegen einer akuten Gefährdungslage einem Elternteil entrissen und traumatisiert werden. Kinder dürfen nicht gegen ihren Willen ihren Eltern entrissen werden!
  • Das Recht auf Akteneinsicht der Eltern bei der Kinder- und Jugendhilfe.
  • Eltern müssen rechtzeitig darüber informiert werden, wenn die Kinder- und Jugendhilfe eine Kindesabnahme in Betracht zieht. Wir fordern ein Ende der Geheimaktionen.
  • Im Sinne des Kindeswohls fordert FEM.A, dass die Kinder- und Jugendhilfe eine Kindesabnahme umgehend, also innerhalb von 24 Stunden, dem Gericht melden muss und ein*e Richter*in (notfalls im Journaldienst) umgehend, also innerhalb von 48 Stunden, die betroffenen Eltern anhören muss. Es handelt sich bei einer Kindesabnahme um den gravierendsten Eingriff in das Familienleben.
  • Es braucht eine neutrale Ombudsstelle, an die sich Eltern im Falle einer Kindesabnahme wenden können, die die Vorgehensweise und Rechtmäßigkeit umgehend untersucht.
  • Stellt sich heraus, dass die Kindesabnahme zu Unrecht geschehen ist, so muss das Kind auf jeden Fall und unabhängig von der Dauer der Herausnahme, aus der Herkunftsfamilie wieder in diese zurückgeführt werden.
  • Das Pflegschaftsgericht muss das Verfahren in einer dem Kindesalter entsprechend kurzen Frist abschließen, damit das Kind, die Eltern und die gesamte Familie keine irreparablen Schäden erleiden.
  • Es muss eine Schadensersatzpflicht bei ungerechtfertigten Kindesabnahmen, sowie psychologische Unterstützung für die Trauma-Aufarbeitung zugesprochen werden.
  • Eine sofortige, kostenlose psychologische Unterstützung der Eltern nach der Kindesabnahme.
  • Kostenloser Rechtsbeistand für Eltern, deren die Kinder abgenommen wurden.
  • Strenge Wissenschaftlichkeit und Beweisbarkeit der Begründung für die Kindesabnahme: stereotype Behauptungen wie zum Beispiel schmutzige Wohnungen oder Überforderung können keine Gefahr im Verzug und somit eine Kindesabnahme durch die Kinder- und Jugendhilfe darstellen. Verklärte Vorstellungen von der Aufgabe von Müttern dürfen die Begründung nicht beeinflussen – weder der Erziehungsstil noch eine eventuelle Berufstätigkeit.
  • Kontaktrecht: Den Eltern und Kindern muss, außer bei Gewalt, zumindest alle zwei Tage ein Kontaktrecht eingeräumt werden, bis zum Vorliegen eines rechtsgültigen Gerichtsbeschlusses über die Obsorge.
  • Es braucht dringend Statistiken, die eine Untersuchung auf Diskriminierung zulassen: Es muss bei jeder Kindesabnahme erfasst werden, ob die Familie Migrationshintergrund hatte, ob das Kind aus einem Ein-Eltern-Haushalt stammt, andere mögliche Diskriminierungsgründe wie Armut und ihre Folgen, Krankheit eines Elternteils, Behinderung etc.
  • Eine Kindesabnahme darf die Situation für das Kind auf keinen Fall verschlechtern: Selbst bei gerechtfertigten Kindesabnahmen darf das Kind nur dann aus der Familie genommen werden, wenn sich die Situation für das Kind dadurch verbessert. Eine überfüllte WG ohne ausreichendes Personal ist kein Umfeld für ein Kind, das von den Eltern misshandelt oder vernachlässigt wurde!
  • Es müssen ausreichende finanzielle Mittel für Kinder, die tatsächlich in staatlichen Einrichtungen untergebracht werden müssen, zur Verfügung gestellt werden.

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