Beitrag von Petra Unger, MA, Expertin für Gender Studies und feministische Forschung und Moderatorin der 1. FEM.A Fachtagung
Ein Überblick
Am 20. und 21. März 2025 fand die 1. Fachtagung des Vereins Feministische Alleinerzieherinnen – FEM.A am Wiener Juridicum statt.
Zahlreiche Expert:innen aus verschiedensten Feldern analysierten als Vortragende und als Besucher:innen der Tagung die aktuelle rechtliche wie soziale Situation von Alleinerzieherinnen*. Alleinerzieherinnen* im Publikum berichteten in bewegender Weise von ihrer Situation und ergänzten die Ausführungen der Expert:innen und Juristinnen* um ihre Erfahrungen. Im Folgenden werden die verschiedenen, diskutierten Problemfelder als einleitender Überblick, ohne Anspruch auf Vollständigkeit, skizziert.
Ein Blick zurück
Kinder alleinerziehend großziehen zu müssen, kann viele verschiedene Ursachen haben. Nicht nur Scheidung oder Trennung von jeweiligen Partner:innen, sondern auch Krankheit, Tod oder Kriegsereignisse, lassen vor allem Frauen* (90% der Alleinerziehenden sind weiblich) zu Alleinerzieherinnen* werden.
Die Geschichte der Diskriminierung und rechtlichen Benachteiligung von Alleinerzieherinnen* reicht weit zurück. Vor allem Mütter, die Kinder außerhalb der Ehe gebären, werden über lange Zeit sozial ausgegrenzt und angesichts ihrer prekären, marginalisierten Situation auf verschiedenste Weise als billige, rechtlose Arbeitskräfte ausgebeutet. Vor allem ärmere Mütter müssen jedes Angebot annehmen, jede Arbeitsbelastung aushalten, um ihre Kinder ernähren zu können. Nicht selten werden auch die Kinder zu den schweren Arbeiten herangezogen. Mütter mit unehelichen Kindern erhalten kaum oder gar keine gesellschaftliche Unterstützung und sind damit noch stärker diskriminiert als alleinerziehende Witwen von Kriegsopfern, die zumindest auf die eine oder andere staatliche Unterstützung oder auf private Vermögen zurückgreifen können.
Mütter von unehelich geborenen Kindern haben zudem kein Recht auf Obsorge. Sie werden unter die Kontrolle von „Vater Staat“ gestellt und können weder über Aufenthaltsort und Bildung, noch über Gesundheitsversorgung ihrer eigenen Kinder entscheiden. Unmittelbar nach der Geburt der Kinder überprüfen Fürsorgerinnen im Namen des Staates die Wohn- und Lebenssituation der Alleinerzieherinnen*. Fürsorgerinnen können (meist aufgrund von Armut) die Kinder „abnehmen“ und übergeben sie in der Folge entweder den Klöstern der katholischen Kirche oder staatlichen Kinderheimen. Traut die Fürsorgerin der ledigen Mutter die Versorgung ihrer Kinder zu, muss die Mutter einen Antrag auf Erteilung der Obsorge stellen – mit offenem Ausgang. Nicht immer entscheidet die Behörde zugunsten der leiblichen Mutter. Die Ungleichbehandlung unehelicher und ehelicher Kinder versucht erstmals Kaiser Josef II. zu beheben. Kurz nach seinem Tod werden die entsprechenden Gesetze unter Einfluss der Katholischen Kirche jedoch wieder rückgängig gemacht. Mit Einzug der ersten Frauen* ins österreichische Parlament wird ein weiteres Mal 1925 versucht, die rechtliche Gleichstellung der Geschlechter im Allgemeinen und jene der Alleinerzieherinnen* mit unehelichen Kinder im Besonderen durchzusetzen. Es gelingt jedoch erst 1989. Die Erbrechte unehelich geborener Kinder (häufig Ergebnisse von außerehelichen Beziehungen verheirateter Männer) werden erst 1991 angeglichen.
Die Interessen konservativer, gesellschaftlicher Kreise und jene der Väter stehen also sehr lange im Vordergrund. Die Folgen der Ungleichbehandlung hatten und haben bis heute die alleinerziehenden Mütter und deren Kinder zu tragen.
Alleinerziehend und arm
Eine dieser Folgen ist Armut als ständiger belastender Begleiter. Auch heute sind 48% der Ein-Eltern-Haushalte von Armutsgefährdung betroffen. 27% ihres Einkommens, also fast ein Drittel, müssen Alleinerzieherinnen* für Wohnkosten aufbringen und das bei meist schlechterer Qualität der Wohnung bzw. belastender Wohnumgebung. 30% der Alleinerziehenden können als „Working Poor“ bezeichnet werden. Sie sind trotz Erwerbsarbeit von Armut betroffen.
Darüber hinaus müssen vor allem alleinerziehende Mütter laufend um Unterhaltszahlungen kämpfen. Damals wie heute entziehen sich Väter unter den verschiedensten Vorwänden ihrer Verantwortung und verweigern regelmäßige Zahlungen an die von ihnen gezeugten Kinder.
Familienrechtsreform und Unterhaltsvorschuss
Mit der Familienrechtsreform des Jahres 1975 wurde nicht nur die Vorstellung der Ehe als autoritäres Modell, an dessen Spitze der Mann steht, durch einen partnerschaftlicheren, egalitäreren Ehevertrag ersetzt. Es wird auch der international als Vorreiter-Modell anerkannte, staatliche Unterhaltsvorschuss für alleinerziehende Mütter gesetzlich verankert.
„Vater Staat“ streckt den Unterhalt vor, um ihn später von den säumigen, leiblichen Vätern zurückzuverlangen. Soweit der positive Ansatz, der jedoch nicht ganz zu Ende gedacht wurde. Flüchtet der Vater vor den Unterhaltszahlungen ins Ausland oder in die Erwerbslosigkeit müssen Mütter und Kinder ohne Unterhalt auskommen. Kann der Staat das vorzustreckende Geld nicht eintreiben, gehen die Kinder leer aus. Auch heute leben 36% aller Kinder in Österreich ohne Unterhaltszahlung.
Unterhalt steht, laut Gesetz, allen Kindern zu. Eltern gehen mit der Zeugung ihrer Kinder die Verpflichtung ein, für sie zu sorgen, bis sie sich selbst versorgen können. Mit Erlangen der Volljährigkeit müssen Kinder, die sich noch in Ausbildung befinden, selbst vor Gericht ziehen, um die Unterhaltszahlung von ihren Eltern (in den meisten Fällen Väter) einzuklagen. Viele Jugendliche kennen ihr Recht auf Unterhalt nicht. Und selbst wenn sie darüber informiert sind: Letztendlich klagt kaum ein erwachsenes Kind seine eigenen Eltern. Viele junge Erwachsene wollen sich der hohen, emotionalen Belastung und der Frage, warum sie ihrem Vater (bzw. ihren Eltern) weder Unterhalt noch gute Ausbildung wert sind, nicht aussetzen.
Obwohl gute Ausbildung als wichtige Voraussetzung für ein selbstständiges, existenzsicherndes Erwerbsleben gilt, nehmen sich auch staatliche Institutionen aus der gesellschaftlichen Verantwortung, für Eltern, die aus welchem Grund auch immer, nicht für ihre Kinder aufkommen wollen oder können, einzuspringen. So hinkt die Berechnung von Kinder-Lebenshaltungskosten den realistischen Erfordernissen hinterher.
Bis zur Erstellung der Kinderkostenanalyse 2021 durch die Statistik Austria im Auftrag des Sozialministers Johannes Rauch werden die direkten Kosten für Kinder auf Basis der Daten aus dem Jahr 1964 (sic!) berechnet und sind damit alles andere als zeitgemäß. Die aktuelle Regelung des Kindesunterhalts kennt darüber hinaus keinen Mindestbetrag – eine Höchstgrenze jedoch sehr wohl. Der Unterhalt für 6-10jährige Kinder wird mit „pädagogischer Beschränkungsbegründung“ gedeckelt.
Kritiker:innen fordern daher ein völlig neues Unterhaltsgesetz verbunden mit einer Unterhaltsgarantie für alle Kinder.
Familienrecht, Obsorge und Kindeswohl
Die Familienrechtsreform des Jahres 1975 gilt, wie bereits erwähnt, als Meilenstein in der rechtlichen Gleichstellung der Geschlechter. Die „väterliche Gewalt“, die seit 1811 dem Mann als „Haupt der Familie“ umfassende Rechte über Frau* und Kinder gewährt, wird zur „elterliche Gewalt“. Im Zuge des Kindschaftsänderungsgesetzes 1989 wird dieser Begriff wiederum durch die heute gängige Bezeichnung der „Obsorge“ ersetzt. Pflege, Erziehung, Vermögensverwaltung und gesetzliche Vertretung der Kinder werden damit neu geregelt. 1975 wird auch „Partnerschaft in der Ehe“ gesetzlich verankert. Der Mann kann seiner Ehefrau nicht mehr verbieten, berufstätig zu sein, die Kinder nicht mehr zu unerwünschten Ausbildungen zwingen oder sie verweigern und den Wohnort nicht mehr gegen den Willen der Familie ändern. Mit bald darauffolgenden Reformen des Scheidungsrechtes wird schließlich auch die Möglichkeit der Scheidung im gegenseitigen Einvernehmen geschaffen. Auch die Sorge- und Hausarbeit soll einvernehmlich zwischen den nun partnerschaftlich agierenden Ehepartner aufgeteilt werden. Die Umsetzung der derart verankerten rechtliche Gleichstellung scheitert jedoch vor allem am Verhalten der Männer, wie zahlreiche Studien und statistische Erhebungen zeigen.
Trotz mangelhafter Beteiligung an Sorgearbeit, Kinder- und Altenpflege erheben viele Männer seit einigen Jahren wieder Anspruch auf patriarchale Privilegien. Maximale Rechte gegenüber Frau* und Kind, bei minimaler Übernahme von gesetzlich festgelegten Pflichten wie Sorgearbeit, Kindesunterhalt und Gewaltfreiheit. Weltweit sind Netzwerke frauenverachtender Männlichkeitsformen und Väterrechtsbewegungen mit Verbindungen zu rechtsnationalen und rechtsradikalen Parteien im Vormarsch. Ihre Vertreter finden sich bereits nicht nur in höchsten Regierungsämtern, sondern auch in Beratungsgremien von Justizminister:innen und gesetzgebenden Körperschafen. Die negativen Auswirkungen dieser Netzwerke auf Frauen* und Kinder zeigen sich in vielen Bereichen.
1977 findet der Begriff des Kindeswohls Eingang in gesetzliche Regelungen, ohne jedoch eine klare Definition vorzugeben. Die fehlende Definition hat zahlreiche negative Auswirkungen auf Alleinerzieherinnen* und ihren Kampf um Versorgung und Sicherheit ihrer Kinder. Während Mütter die Wahrung des Kindeswohls einfordern, wenn sie versuchen, den Kontakt zu gewalttätigen Vätern unterbinden zu lassen, argumentieren Gewalttäter häufig mit dem Kindeswohl, um Besuchsrechte zu erstreiten. Es obliegt den Richter:innen, das Kindeswohl unter Berücksichtigung der individuellen Umstände im Einzelfall zu beurteilen. Während es aus familienrechtlicher Sicht gesehen als notwendig erachtet wird, den Rechtsbegriff des Kindeswohls unbestimmt zu lassen, kritisieren verschiedenste Expert:innen das Fehlen von Richtlinien und vor allem die mangelnde Fachkompetenz von Richter:innen, vor allem in sogenannt „strittigen Verfahren“. Hinter diesem von vielen Expert:innen als verharmlosend betrachtetem Begriff verbergen sich häufig Scheidungsprozesse mit häuslicher und/ oder sexualisierter Gewalt. In der juristischen Praxis zeigen sich eklatante Wissenslücken und traditionell geprägte Vorstellungen von Geschlechterrollen und Familienmodellen bei Gutachter:innen, Jurist:innen und Familienrichter:innen. So wird die Bedeutung der Vaterrolle überbetont, während den Müttern Erziehungskompetenz abgesprochen wird. Gleichzeitig werden Mütter als Hauptverantwortliche für das Verhalten der Kinder gesehen. In der Folge wird nicht selten das Kontaktrecht des Vaters über das Wohl des Kindes gestellt, den Müttern unzulässige Beeinflussung der Kinder vorgeworfen und bei häuslicher bzw. sexualisierter Gewalt immer wieder auch mal weggesehen.
Vor allem in den letzten zwei Jahrzehnten geht wertvolles Wissen der Zweiten Frauen*Bewegung mit den damit verbundenen Erkenntnissen zu effektivem Gewaltschutz in Scheidungsprozessen verloren. Die Ausrichtung der Justizminister:innen in Österreich (mit Parteizugehörigkeit zu FPÖ und ÖVP, mit Ausnahme von Maria Berger SPÖ, und Alma Zadič, Grüne) scheint seit der Jahrtausendwende rückwärtsgewandt und ist zumindest teilweise von Vertretern der anti-emanzipatorischen Väterrechtsbewegung beeinflusst.
Häusliche Gewalt an Frauen* und sexualisierte Gewalt an Kindern ist nach wie vor schwer nachweisbar. Das international vielbeachtete und ausgezeichnete Gewaltschutzgesetz Österreichs aus dem Jahr 1997 bietet zahlreiche Maßnahmen zum Schutz von Frauen* und Kindern – ausreichend sind sie jedoch nicht. Die Spurensicherung nach häuslicher Gewalt ist häufig mangelhaft und Beweisführung aufgrund fehlender Zeugen oft schwierig.
Eine österreichweite Einrichtung von Gewaltambulanzen mit forensischen Kompetenzen und bessere Schulung von Polizei- und juristischem Personal könnten Abhilfe schaffen. Mit der „Handreiche zum Umgang mit Gewalt im Zusammenhang mit Obsorge und Kontaktrecht“ des Bundesministeriums für Justiz verfügen v.a. Familienrichter:innen seit 2024 über fundierte Information und konkrete Handlungsanleitungen. Wie weit sie die jeweiligen Familienrichter:innen tatsächlich erreicht, bleibt offen. Verpflichtende Weiterbildung des richterlichen Personals ist nicht vorgesehen. Ein erster wichtiger Schritt ist mit der Erstellung der Handreiche jedoch getan.
Alte Narrative in neuem Gewand
Mütter und Alleinerzieher:innen wird viel zugeschrieben und unterstellt.
Die Bandbreite reicht vom angeblich angeborenen Mutterinstinkt, der alle Frauen* zu aufopferungsvollen, liebenden Müttern werden lässt (längst von Elisabeth Badinter widerlegt) bis hin zur Vorstellung der pathologisch-bösartigen Intrigantin, die den liebenden Vätern die Kinder durch Beeinflussung und Entfremdung entzieht.
Das vereinfachende Konzept des PAS (Parental Alienation Syndrom – Elterliches Entfremdungssyndrom) des Kinderpsychiaters Richard A. Gardner findet in diesem Sinne nach wie vor seinen Niederschlag in Gutachten und bei Entscheidungen vor Gericht, auf Basis klischeehafter Geschlechterstereotype und überholter Narrative. Auch wenn das Phänomen der Entfremdung in Trennungsprozessen nicht geleugnet werden kann, ist die böswillige und bewusste Manipulation eines Kindes durch einen Elternteil extrem selten und gerade bei Kleinkindern kognitiv nicht möglich. Verweigert ein Kind den Kontakt zu einem Elternteil, sind die Gründe vielschichtig und komplex. Einfache Erklärungen und undifferenzierte Schuldzuschreibungen sind hier wenig hilfreich. In vielen Ländern wird daher von der Anwendung des als unwissenschaftlich eingestuften PAS-Konzept mittlerweile dringend abgeraten, nicht zuletzt auch, weil das Konzept wissenschaftlichen Standards in vielerlei Hinsicht nicht entspricht.
Familiengerichtshilfe
Um Eltern in der schwierigen Trennungsphase zu unterstützen, werden in der österreichischen Rechtspraxis zahlreiche neue Akteur:innen und Expert:innen in Scheidungsprozesse eingebunden. 2013 wird mit dem Kindschafts- und Namensrechtsänderungsgesetzes die so genannte Familiengerichtshilfe eingerichtet. Die Mitarbeiter:innen sollen sich drei zentralen Aufgaben im Vorfeld eines Scheidungsprozesses widmen: 1. Clearing (Anbahnung einer gütlichen Einigung zwischen den Eltern), 2.fachliche Stellungnahmen und 3.Klärung des Kontaktrechts.
Im Bereich des Clearings recherchiert die Familiengerichtshilfe u.a. zu den Fragen „Wo sind die Hauptstreitpunkte der Eltern?“ oder „Bei welchen Punkten können die Eltern zu einer Einigung kommen?“. Das Familiengericht kann darüber hinaus spezielle Erhebungen (z.B. ob ein Haushalt kindgerecht ist) von der Familiengerichtshilfe durchführen lassen. Können sich Eltern nicht einigen, werden Gutachten und Stellungnahmen verfasst, um ein „gutes Gesamtbild von den Bedürfnissen und Wünschen des Kindes zu erlangen“. Bei der Klärung des Kontaktrechtes kann die Familiengerichtshilfe versuchen „Übergaberituale im Sinne des Kindeswohls“ zu unterstützen. So die Theorie.
In der Praxis gibt es von Seiten der Alleinerzieherinnen* und vor allem von Gewalt betroffenen Frauen* scharfe Kritik an den Vorgangsweisen der Familiengerichtshilfe. Neben Intransparenz ihres Handelns in den Vorfeld-Recherchen und häufig beobachteter Parteilichkeit auf Seiten der Väter werden den Akteur:innen auch mangelnde Sensibilität gegenüber Berichten der betroffenen Frauen* über häuslicher Gewalt oder über sexualisierte Gewalt an Kindern vorgeworfen. Zahlreiche Expert:innen fordern daher eine Reform der Familiengerichtshilfe, Professionalisierung und Sensibilisierung aller Akteur:innen (auch Richter:innen) sowie die Einführung von Qualitätsstandards und damit verbundenen Qualitätskontrollen für Gutachten.
Jurist:innen kritisieren darüber hinaus, dass sich Familienrichter:innen zunehmend auf die Berichte der Familiengerichtshilfe verlassen ohne umfassende Beweiswürdigungen vorzunehmen und ohne die eigene fachliche Einschätzung des jeweiligen Einzelfalles zu wagen. Auch hier gilt: Der Gedanke in der Theorie ist gut und richtig. Die Umsetzung in der Praxis bleibt hinter den Bedürfnissen der Betroffenen, aber auch zu erwartenden gesetzlichen Qualitätsansprüchen zurück.
Zusammenfassend lässt sich festhalten: Multiperspektivische und multiprofessionelle Zugänge sind vor allem in hochstrittigen Scheidungsprozessen gefragt. Erkenntnisse aus Gender Studies und feministischer Forschung bieten hier vielseitiges Fachwissen. Die Erfahrungen der Frauen*häuser sind hier mehr als relevant.
Perspektivenwechsel
Veränderungen bestehender, oft starrer Systeme brauchen nicht nur Fachwissen und Engagement aller Beteiligten, sondern auch Visionen und Utopien.
Die formulierten Verbesserungsvorschläge der Referent:innen der 1.FEM.A Fachtagung sind vielfältig. So sollen bisher ungenützte, bereits bestehende gesetzliche Möglichkeiten genützt, juristische Konventionen in konkrete Gesetze gegossen und mit entsprechenden Handlungsanleitungen für Richter:innen versehen werden. Dort wo sie fehlen, braucht es im Gesetz genaue Definitionen. Verfahrensmängel müssen behoben, Missstände beseitigt werden.
Laufende und qualitativ hochwertige Schulungen sollten für alle im System Tätigen angeboten werden, im Besonderen für Jurist*innen und Richter*innen. Die Kompetenz der Beweiswürdigung bei Richter*innen sollte gestärkt und nicht an die Familiengerichtshilfe ausgelagert werden.
Gemeinsam mit allen Akteur:innen in diesem vielschichtigen Feld der Trennungsprozesse und der Situation von Alleinerziehenden müssen Probleme benannt und Lösungen entwickelt werden – idealerweise auch unter Einbeziehung von Vertreter:innen der Familiengerichtshilfe und der Kinder- und Jugendhilfe. Ihre Tätigkeiten und die von ihnen gesetzten Maßnahmen haben starke Auswirkungen auf das Leben der Frauen* und Kinder.
Gute und nachhaltige Veränderungsprozesse brauchen die Einbeziehung aller Betroffenen. Der Gesetzwerdungsprozess des österreichischen Gewaltschutzes ist hierfür ein gutes Vorbild.
Der wichtigste Perspektiv-Wechsel wäre jedoch in Richtung Kinder vorzunehmen: Wenn die erforderlichen Maßnahmen aus Perspektive der Kinder heraus entwickeln werden, ist viel gewonnen – auch für die Eltern dieser Kinder.
Staatliche Institutionen und der Gesetzgeber können nicht alle Probleme von Alleinerziehenden lösen. Viele Gesetzesänderung in die richtige Richtung und wesentliche Verbesserungen wurden durchgesetzt und haben die Situation von Frauen* und Kinder nachhaltig verbessert. Dennoch gilt: Es bleibt noch viel zu tun, wenn die Utopie eines gewaltfreien, selbstbestimmten, gleichberechtigten Lebens ohne Armut und Ausgrenzung für alle Kinder, Frauen* und die wenigen alleinerziehenden Männer* Wirklichkeit werden soll.
Die Autorin

Petra Unger verbindet ihr praktisches Wissen aus langjähriger Tätigkeit in verschiedenen Museen mit ihrer Expertise als Referentin für Gender Studies und feministischer Theorie. Sie forscht zu politischer Frauengeschichte und Frauenkunstgeschichte unter feministischen Aspekten. Als Begründerin der Wiener Frauen*Spaziergänge vermittelt sie ihr Wissen in Rundgängen zu Frauengeschichte und Frauenkunstgeschichte in Wien. Seit 20211 ist sie Käthe-Leichter-Preisträgerin für Frauen- und Geschlechterforschung. 2019 wird sie mit dem Preis der Stadt Wien für Volksbildung ausgezeichnet. Sie ist gefragte Vortragende, Seminarleiterin und Moderatorin zu Fragen der Geschlechterforschung in der Erwachsenenbildung.

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