Wie die Justiz gewalttätige Väter begünstigt
von Asha Hedayati
Für einen Tag im Jahr, am 25. November, findet sie weltweit Aufmerksamkeit: Gewalt gegen Frauen. Doch trotz der alljährlich geäußerten Bekundungen, jetzt endlich für Schutz sorgen zu wollen, ändert sich an den strukturellen Ursachen für die Gewalt wenig. Das zeigt sich hierzulande besonders eindrücklich am Umgang deutscher Familiengerichte mit von Gewalt betroffenen Frauen und Kindern. Im April 2022 erschien dazu eine Untersuchung von Wolfgang Hammer, Soziologe und Experte für Kinder- und Jugendhilfe, die über Twitter und in der Presse sehr viel Resonanz gefunden hat. Hammer beleuchtet darin die teils mütterfeindliche Praxis deutscher Familiengerichte und warnt vor davon ausgehenden Kindeswohlgefährdungen. Personen und Verbände, die seine Untersuchung öffentlich verbreiteten, bekamen starken Gegenwind bis hin zu Hassbotschaften und Drohungen. Nachdem ich selbst auf Twitter darauf hingewiesen hatte, erhielt auch ich E-Mails an meine berufliche Adresse, in denen mir mit Vergewaltigung und Vernichtung gedroht wurde. Daran zeigt sich: Das Thema mütter- und frauenfeindliche Familiengerichte trifft offensichtlich einen Nerv in Deutschland. Insbesondere Männer- und Väterrechtler fühlen sich angegriffen.
Um die Rolle der Familiengerichte im System der Gewalt gegen Frauen zu verstehen, muss man wissen, welche Grundannahmen dort sehr häufig vorherrschen. Sie finden Eingang in Schriftsätze von Anwält:innen der Gegenseite, aber sie werden auch von Jugendämtern, Verfahrensbeistandschaften und Richter:innen vertreten und in Empfehlungsschreiben, Stellungnahmen und Gerichtsurteilen reproduziert. Noch immer dominiert der Mythos, Mütter hätten bessere Chancen vor dem Familiengericht. Sie würden immer das Sorgerecht erhalten, könnten den Vater „einfach“ vom Umgang mit dem Kind ausschließen, gleichzeitig aber Unterhaltszahlungen für das Kind einfordern. Die Familiengerichte würden davon ausgehen, dass die Mutter die geeignetere Person für die Betreuung sei.
Dieser Mythos ist unter anderem zurückzuführen auf das in unserer Gesellschaft vorherrschende Mutterbild: Frauen werden in Deutschland als Mütter wahrgenommen, die sich „von Natur aus“ gern aufopfern, die gern ihre kostenlose Care-Arbeit anbieten, weil es ihrem „Wesen“ entspricht und „sie selbst glücklich macht“. Die Mutter, so die Vorstellung, gibt ihr Leben für ihre Familie, ihre Kinder, ihren Partner auf und ist in dieser Rolle dankbar und glücklich. Insofern erscheint es nur logisch, dass sie das Sorgerecht erhält oder dass das Kind weiterhin hauptsächlich in ihrem Haushalt lebt.
Neben diesem Bild der Übermutter steht das Bild der vergeltungssüchtigen Medea, der rachsüchtigen Expartnerin, die aufgrund einer Kränkung die Kinder gegen den Mann instrumentalisieren und ihn „ausnehmen“ möchte. Dieses Bild ist deshalb interessant, weil der Vorwurf gegen die Mütter in meiner Praxis insbesondere bei den Fällen vorgebracht wird, in denen die Frauen sich für die Trennung aus der Gewaltbeziehung entschieden haben und die Männer aufgrund der Trennung einen Kontroll- und Machtverlust und dadurch eine immense Kränkung erleben. Wenn die Frau es wagt, sich aus einer solchen Beziehung zu lösen, sich und ihre Kinder zu schützen oder sich gar zu wehren und sich nicht auf Vereinbarungen mit dem gewalttätigen Expartner einzulassen, ihre Rolle als harmonieschaffende Frau aufzugeben, droht ihr schnell der Vorwurf, sie setze ihre Kinder als Waffe gegen den Vater ein, sie entfremde sie bewusst, um sich zu rächen, sie benutze die Kinder, um möglichst viel Geld aus ihrem Expartner herauszuholen.
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