Wer glaubt, dass Armut ein individueller Schicksalsschlag ist, irrt. Armut ist politisch gemacht – besonders dann, wenn sie so systematisch und präzise wirkt wie bei Alleinerzieher*innen. Das zeigen nicht nur unzählige Erfahrungsberichte aus unserer Beratung, sondern auch die kalte Realität der Zahlen. Denn der Staat berechnet ganz genau, wie viel ein Kind kostet – und er entscheidet ebenso genau, wie viel davon er zu tragen bereit ist. Die bittere Wahrheit: Lebt ein Kind bei nur einem Elternteil, ist es dem Staat deutlich weniger wert.
Eine vom Sozialministerium beauftragte Studie zeigt: Familienleistungen decken bei Kindern in Paarhaushalten einen deutlich größeren Teil der Kosten ab als bei Kindern in Ein-Eltern-Haushalten. FEM.A hat nun ergänzend untersucht, wie es bei der Sozialhilfe aussieht – also dort, wo es wirklich ums Existenzminimum geht. Auch hier zeigt sich dasselbe Muster: Während in Paarhaushalten etwa die Hälfte der Kinderkosten durch Sozialhilfeleistungen ersetzt wird, sind es bei Alleinerzieher*innen-Haushalten im Schnitt nur ein Drittel. Und das sind wohlgemerkt die Höchstgrenzen – die Realität sieht oft noch düsterer aus.

Am krassesten zeigt sich die Ungleichbehandlung im Burgenland: Ein*e Alleinerzieher*in mit einem Kind bekommt dort durch die Sozialhilfe maximal 22 % der Kinderkosten ersetzt. In einem Paarhaushalt mit Kind sind es 46 %. In Wien liegt die Abdeckung bei Alleinerzieherinnen bei 26 %, bei Paarhaushalten bei 54 %.

Noch härter trifft es Familien mit Jugendlichen zwischen 15 und 18 Jahren: Im Burgenland bekommen Jugendliche in Ein-Eltern-Haushalten nur 18 % der notwendigen Kosten ersetzt – in Paarhaushalten 36 %. In Wien liegt der Unterschied bei 21 % gegenüber 43 %.
Diese Unterschiede sind kein Versehen. Sie sind das Ergebnis politischer Entscheidungen. Denn die Sozialhilfe sieht zwar Zuschläge für Alleinerzieher*innen vor, aber nicht alle Bundesländer setzen diese um. Die Steiermark, Kärnten, Oberösterreich, Salzburg und Tirol tun es. In anderen Bundesländern, wie Wien oder dem Burgenland, werden diese Zuschläge ignoriert, auf Kosten unserer Kinder!
Wohnkosten, die für Alleinerzieher*innen besonders belastend sind, werden ebenfalls höchst unterschiedlich unterstützt. In Wien, Vorarlberg, Tirol und der Steiermark gibt es Zusatzleistungen, in anderen Bundesländern nicht. Wer im Burgenland lebt, hat schlichtweg Pech gehabt.
Fazit: Die Armut von Alleinerzieher*innen ist kein Zufall. Sie ist eine direkte Folge politischer Willkür. Sie ist das Resultat von Gesetzeslücken, verweigerter Umsetzung, mangelndem politischen Willen – und letztlich von struktureller Diskriminierung.
Wir fordern:
- Die prozentuell gleiche Abdeckung der Kinderkosten durch die Sozialhilfe, unabhängig davon, ob ein Kind in einem Ein-Eltern- oder Paarhaushalt lebt!
- Die Erhöhung der Leistungen für Kinder ab 14 Jahren
- Faire Wohnkostenzuschüsse in allen Bundesländern, die die Realität von Alleinerzieher*innen ernst nehmen!
Wer Kinder schützt, wer möchte, dass Frauen weiterhin Kinder gebären, damit sie den Generationenvertrag erfüllen, darf Alleinerzieher*innen nicht bestrafen. Nur ein patriarchales System straft Mütter für ihre Fürsorge!
Die Autorin:

Mag.a Jutta Mailänder ist Wirtschaftswissenschafterin und hat Erfahrung im Social Media Management, Projektmanagement und Fundraising. Sie setzt sich bei FEM.A mit der strukturellen Diskriminierung von Alleinerzieher*innen auseinander und macht auf strukturelle Ungerechtigkeiten aufmerksam. Zur Aktivistin wurde sie, weil sie die Diskriminierung am eigenen Leib verspürt. Deshalb hat sie sich mit anderen Alleinerzieher*innen zusammengeschlossen.

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