Bis vor kurzem war das eine Black Box. Doch seit 2021 gibt es die von vielen heißersehnte Kinderkostenstudie. Sie wurde vom Sozialministerium beauftragt, von der Statistik Austria durchgeführt und ist die erste Studie überhaupt, die untersucht hat, wie viel Kinder in Ein-Eltern-Haushalten kosten. Alleinerzieherinnen erleben das zwar in der Praxis, geglaubt wurde ihnen aber nicht: Kinder in Single-Haushalten kosten fast doppelt so viel wie in Paar-Haushalten. Während ein Kind in letzterem durchschnittlich (valorisiert mit der Inflationsrate) 552 EUR im Monat kostet, so belaufen sich die Kosten für ein Kind bei einer Alleinerzieherin auf 1 005 EUR monatlich.
Die erste Kinderkostenstudie, auf der viele Kennzahlen wie etwa der Regelbedarf, indirekt aber auch die Prozentsatzmethode zur Berechnung des Unterhalts sowie des Unterhaltsvorschuss basieren, wurde 1964 durchgeführt. Damals wurde erhoben, wie viel Kinder in Paarbeziehungen kosten. Auch wenn es schon damals viele Alleinerzieherinnen gab, wurden sie noch nicht in Studien mitgedacht. Die Kosten wurden damals anhand eines Warenkorbs erhoben, der allerdings im Laufe der Zeit nicht geändert wurde, sondern lediglich mit der Inflationsrate indexiert wurde, so zum Beispiel im Fall des Regelbedarfs. Die Kinderkostenstudie 2021 nimmt nun erstmals darauf Rücksicht, dass sich einerseits die Bedürfnisse von Kindern gewandelt haben, um an der Gesellschaft teilhaben zu können. Jugendliche benötigen zum Beispiel einen Computer für die Schule oder ein Handy, um erreichbar zu sein und die Vereinbarkeit der Berufstätigkeit der Eltern zu erleichtern. Andererseits betrachtet die Analyse die Situation von Alleinerzieherinnen getrennt, denn Fixkosten wie Miete und Betriebskosten fallen hier mehr ins Gewicht.
Um die verschiedenen Haushaltsformen zu vergleichen, werden in den Studien Äquivalenzzahlen herangezogen. Sie drücken aus, wie hoch Einkommen und Ausgaben eines Haushaltstyps sein müssten, damit beide Haushalte das gleiche Wohlstandsniveau aufweisen. Die Kenngröße „Kinderkonsumeinheit“ wurde aus diesen Äquivalenzzahlen abgeleitet. Der Referenzhaushalt, der für die Berechnung als Norm dient, befindet sich im Median der Haushaltseinkommen. Das bedeutet, dass man nicht das arithmetische Mittel heranzieht, sondern nachschaut, wie viel Einkommen die Hälfte (also 50%) der Haushaltstypen in der jeweiligen Konstellation bezieht. Das Medianeinkommen liegt in Österreich meist unter dem arithmetischen Mittel, da es hierzulande eine hohe Dichte an Millionär*innen gibt, die Umverteilung allerdings niedrig ist. Das heißt, die Hälfte der Bevölkerung hat weniger als der Durchschnitt der Bevölkerung. 2021 waren das etwa 14% weniger. Der Median ist also ein moderater Haushalt, der sich keinen Luxus leisten kann.
Generell zeigt sich, dass erst ab einem Einkommen über dem Median, gespart wird. Das ist auch ein Indikator für den Lebensstandard: Eine hohe Konsumquote zeigt einen eher niedrigen Lebensstandard. Während kinderlose Haushalte laut WIFO-Studie eine niedrige Konsumquote von 0,94 haben, ist sie in Haushalten mit Familien mit 0,99 deutlich höher, obwohl ihr Einkommen um ein Drittel über jenem kinderloser Haushalte lag.
Ergebnisse der Kinderkostenanalyse 2021
Was Alleinerzieherinnen schon wussten, ihnen jedoch nicht geglaubt wurde: die Kosten für Kinder sind fast doppelt so hoch, wenn sie in einem Single Haushalt aufwachsen, im Vergleich zu Paar-Haushalten. Miete, Betriebskosten, Heizung, etc. müssen auf weniger Personen aufgeteilt werden – in der Regel schlafen die Eltern in einem Zimmer, es fallen daher bei Paarfamilien weniger Quadratmeter pro Person an. Auch andere Skaleneffekte wirken sich bei Ein-Erwachsenenhaushalte weniger positiv aus. Im Schnitt wurde von der Statistik Austria berechnet, dass 2021 ein Kind in einem Ein-Elternhaushalt 900 EUR gekostet hat. Das sind 2023 valorisiert mit der Inflationsrate 1 005 EUR pro Kind in einem Single-Haushalt. Im Vergleich dazu kostet ein Kind in einem Zwei-Erwachsenen-Haushalt fast die Hälfte, nämlich 552 EUR. Für die Altersgruppen der Kinder hat die Analyse folgende Zahlen ergeben, valorisiert mit der Inflationsrate 2021 (2,8%) und 2022 (8,6%):
Kinderkosten je Haushaltstyp und Altersgruppe für 2023
Altersgruppe | Kosten für ein Kind in einem Zwei-Erwachsenen-Haushalt 2023 | Kosten für ein Kind in einem Ein-Erwachsenen-Haushalt 2023 |
0-5 Jahre | 344 EUR | 550 EUR |
6-9 Jahre | 441 EUR | 838 EUR |
10-14 Jahre | 539 EUR | 1 100 EUR |
15-19 Jahre | 687 EUR | 1 388 EUR |
20-24 Jahre | 785 EUR | 1 703 EUR |
Quelle: STATISTIK AUSTRIA, Kinderkostenanalyse 2021, valorisiert mit der Inflationsrate 2021 und 2022
Übrigens hat die Mehrheit der Alleinerzieherinnen diese Summen nicht zur Verfügung. Die fehlenden Summen werden hauptsächlich durch Verzicht wettgemacht.
Wie oben angeführt wurden diese Kinderkosten anhand von Äquivalenzzahlen errechnet. Die Erhebung hat ergeben, dass diese stark von den Normen der EuroStat, die zum Beispiel für die Berechnung der Äquivalenzeinkommen und der Armutsgefährdungsgrenze verwendet werden, abweicht. Eurostat normiert einen Single Haushalt ohne Kind mit einem Faktor von 1. Jede*r weitere Erwachsene, bzw. Kinder über 14 Jahren sollten mit einem Faktor von 0,5 ins Gewicht fallen. Für Kinder unter 14 Jahren wird ein Faktor von 0,3 vorgeschrieben, egal, in welcher Haushaltsform die Familie lebt. Das bedeutet, dass angenommen wird, dass ein Kind zusätzlich 30% mehr kostet. Die Kinderkostenanalyse hat allerdings ergeben, dass diese Zahlen je Haushaltsform stark abweichen!
Kinderkonsumeinheit je Haushaltstyp und Alter des Kindes
Haushaltstyp | Kinderkonsumeinheit für ein Kind unter 14 Jahren | Kinderkonsumeinheit für ein Kind über 14 Jahren |
Zwei-Erwachsenen-Haushalt | 0,18 | 0,30 |
Ein-Erwachsenen-Haushalt | 0,31 | 0,59 |
Vorgabe EuroStat | 0,30 | 0,50 |
Quelle: STATISTIK AUSTRIA, Kinderkostenanalyse 2021, EuroStat
Diskriminierung von Alleinerzieherinnen bei den monetären Familienleistungen
Weiters untersucht wurde in einer Studie des WIFO die monetären Familienleistungen des Staates für die unterschiedlichen Familienformen. Auch hier wurde festgestellt, dass Alleinerzieherinnen deutlich weniger gefördert werden als Zwei-Erwachsenen-Haushalte: Bei einem Kind werden bei einem Paarhaushalt 66% der Kosten durch Familienleistungen wir Familienbonus, Familienbeihilfe etc. abgedeckt. Bei Alleinerzieherinnen sind es nur 36%! Einerseits sind die Kosten bei Alleinerzieherinnen geringer, andererseits bekommen sie auch weniger Transferleistungen. Der Familienbonus zum Beispiel kommt hauptsächlich beim geldunterhaltspflichtigen Elternteil an, wodurch die Unterhaltszahlungen zwar subventioniert, aber nicht erhöht werden. Insbesondere bei älteren Kindern über 14 Jahren ist die Differenz beträchtlich. Das Durchschnittsalter von Kindern bei Alleinerzieherinnen liegt bei 13,4 Jahren. Eine Alleinerzieherin mit einem Kind über 14 Jahren muss so 74% der Kosten allein tragen. Wir vermuten, dass die finanzielle Belastung der Mütter seit 2023 noch gestiegen ist: hohe Inflation, geringe oder fehlende Anpassung des Kindesunterhalts und der Familienleistungen tragen dazu bei. Der Alleinerzieherabsetzbetrag wurde 2023 um 5,2% angehoben, bei einer Inflation 2022 von 8,6%. Für 2022 wurde der Alleinerzieherabsetzbetrag erst gar nicht valorisiert, und hat somit rein seit 2021 um 10,4% an Wert verloren.


Anders dargestellt, zeigt sich der geringe Anteil der staatlichen Leistungen an den Kosten der Kinder von Alleinerzieherinnen:

Dringender Handlungsbedarf
Ziel der Erstellung der Kinderkostenanalyse 2021 war es, eine solide Basis für eine Reform des Unterhaltsrechts zu schaffen. Der Kindesunterhalt sollte per Definition des ABGB die Kinderkosten zur Gänze abdecken. Die Daten, die insbesondere zur Anpassung des Regelbedarfs, des Unterhaltsvorschusses und der Prozentsätze zur Berechnung des Kindesunterhalts benötigt wurden, sind seit Ende 2021 bekannt. Fest steht: Nach unseren Schätzungen leben 70% der Alleinerzieherinnen und ihre Kinder in Armut, weil sie zu wenig Kindesunterhalt bekommen. Doch geschehen ist bisher nichts. Unter fadenscheinigen Argumenten wurden die Regelbedarfssätze nicht an die tatsächlichen Kinderkosten angepasst, der Unterhaltsvorschuss ebenso wenig und über die Anpassung der Prozentsätze zur Berechnung des Kindesunterhalts wurde noch nicht einmal diskutiert. Laut Unterhaltsbefragung 2021 bekamen nur die Hälfte aller Kinder Unterhalt vom Vater, und dieser belief sich damals auf 304 € im Median, also etwa ein Drittel der Kinderkosten von 2021. Außerdem müssen die Ergebnisse der Kinderkostenanalyse 2021 im Sozialhilfegesetz berücksichtigt werden, denn auch dort wird den höheren Kosten bei Alleinerzieherinnen nicht Rechnung getragen!
Wir fordern:
- Die Umsetzung der Unterhaltsgarantie
- Die Anpassung der Regelbedarfssätze
- Die Anhebung der Prozentsätze zur Berechnung des Unterhalts
Indirekte Kosten für die Alleinerzieherinnen
Die Kosten der Kinderkostenanalyse 2021 umfasst ausschließlich direkte Ausgaben für Kinder, sowie indirekt zurechenbare Kosten wie etwa den Bedarf nach einer größeren Wohnung. Mitgerechnet wird hier noch nicht, wie hoch die indirekten Kosten bei den Eltern sind. Diese sind laut einer Studie des WIFO von 2003 sogar noch deutlich höher als die direkten Kosten. Damit ist zum Beispiel der Verdienstentgang durch die geringere Erwerbstätigkeit, und somit auch die niedrigere Bemessungsgrundlage für Pension und Arbeitslose gemeint. Hinzu kommt noch der Karriereknick: Während Männer, wenn sie Väter werden, in der Regel mehr verdienen („Vaterschaftsprämien“), sinkt das Einkommen von Müttern – auch langfristig. Grund dafür sind oft Probleme beim Wiedereinstieg, Teilzeitarbeit aufgrund fehlender Kinderbildungseinrichtungen sowie geringere Mehrleistungsmöglichkeiten und Aufstiegschancen auch aufgrund der Teilzeitbeschäftigung. Nicht zuletzt verlieren Frauen durch die Karenz ihre beruflichen Netzwerke. 2003 hat das WIFO die kumulierten Kinderkosten bis zum 17. Lebensjahr eines Kindes zwischen 107 000 EUR und 220 000 EUR bei allen Müttern berechnet. 2023 entspricht das inflationsbereinigt 165 606 EUR bis 340 500 EUR. Der Pension Gap und der Karriereknick über das 17. Lebensjahr des Kindes hinaus wird hier noch gar nicht mit einberechnet. Da ein Großteil der Alleinerzieherinnen die gesamte Care-Arbeit allein übernehmen (siehe Unterhaltsbefragung 2021), gehen wir davon aus, dass bei Alleinerzieherinnen die Gesamtsumme noch weit höher liegt. Denn den Pflegeurlaub und abendliche Betreuung erledigen Alleinerzieherinnen meist allein. Abendtermine oder Dienstreisen werden somit unmöglich, Managerposten und kranke Kinder sind auch schlecht vereinbar. Allein die indirekten Kosten belaufen sich so wahrscheinlich auf einen vergleichbaren Preis eines Einfamilienhauses.
Quellen:
Kinderkostenanalyse 2021, Statistik Austria:
https://statistik.gv.at/fileadmin/pages/339/Kinderkostenanalyse_2021_MethodischeLangfassung.pdf
Kinderkosten und monetäre Familienleistungen im Vergleich, BMSGPK:
https://www.sozialministerium.at/dam/jcr:dd4bd97e-5833-4474-a35a-5a784d849a13/Synthesepapier%20Kinderkosten%20und%20Familienleistungen%20im%20Vergleich.pdf
Monetäre Familienleistungen für unterschiedliche Haushaltskonstellationen 2021, Marian Fink, Silvia Rocha-Ak, BMSGPK: https://www.sozialministerium.at/dam/jcr:39db9ef9-1f15-44c3-859b-7bce2f821d97/Familienleistungen_Haushaltskonstellationen_WIFO_Endbericht.pdf
Unterhaltsbefragung 2021, Statistik Austria: https://www.statistik.at/fileadmin/publications/Ergebnisbericht_Unterhaltsbefragung.pdf
Direkte und indirekte Kinderkosten in Österreich, Alois Guger, WIFO: https://www.wifo.ac.at/jart/prj3/wifo/resources/person_dokument/person_dokument.jart?publikationsid=24553&mime_type=application/pdf
Kinder als Karriereknick für Frauen in Österreich, Österreichische Akademie der Wissenschaften:
https://www.oeaw.ac.at/news/kinder-als-karriereknick-fuer-frauen-in-oesterreich
The Subjective Cost of Young Children: A European Comparison; Sonja Spitzer, Angela Greulich, Bernhard Hammer: https://link.springer.com/article/10.1007/s11205-022-02942-5
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