„Wir haben es mit einer Krise zu tun“

Autorin: Jessica Reitzig  im Auftrag Tagesspiegel

Familiengerichte trennen Kinder von Hauptbezugsperson wegen „Bindungsintoleranz“/ Selbtshilfegruppen haben hohen Zulauf

Carola Wilke ist eine kleine und rundliche Frau, die Kraft hat für zehn. Die Sozialpädagogin betreibt eine Eltern-Kind-Einrichtung im sächsischen Görlitz, betreut hier Pflegekinder, und betreibt in einem sozialen Netzwerk die Gruppe der „Löwenmamas“. Hier suchen rund 2.500 Mütter aus ganz Deutschland ihren Rat, die schlechte Erfahrungen mit Polizei, Jugendamt und Familiengericht gemacht haben. „Bei meinen Löwenmamas fällt immer wieder dieses eine Wort, es geht in fast jedem Fall um die so genannte „Bindungsintoleranz“, und ich habe es mir zur Aufgabe gemacht diesem Wort den Kampf anzusagen,“ erklärt die 52 jährige Wilcke.

Seit rund 20 Jahren wird bei Gerichtsverhandlungen in Sorge- und Umgangsrechtsverfahren mit der „Bindungsintoleranz“ argumentiert. In diesem Zusammenhang wird auch häufig „PAS“, das „Parental Alienation Syndrome“ erwähnt. Im deutschen Sprachraum wird das in der Regel mit „Eltern-Kind-Endfremdung“ übersetzt, was von den führenden Fachverbänden der Ärzteschaft nicht als Diagnose anerkannt ist: „Elternteilen, meist Müttern, wird damit von Sachverständigen in deren Gutachten bescheinigt sie zeigten fehlende „Bindungsintoleranz“ und würden „emotionalen Missbrauch“ betreiben. Infolgedessen wurden bereits mehrfach Kinder und Jugendliche gegen ihren Willen zu besuchen mit dem abgelehnten Elternteil gezwungen,“ schreiben renommierte Wissenschaftler in einer aktuellen Analyse. Unter ihnen ist auch Professor Jörg Fegert, ärztlicher Direktor der Klinik für Kinder-​ und Jugendpsychiatrie am Universitätsklinikum Ulm und Präsident der Europäischen Gesellschaft für Kinder-​ und Jugendpsychiatrie. „Es wurde dem sorgeberechtigten Elternteil die Erziehungsfähigkeit abgesprochen und dem abgelehnten Elternteil zugesprochen, obwohl in manchen Fällen der Verdacht auf Misshandlung durch den abgelehnten Elternteil bestand oder sogar Verurteilungen gegen den Elternteil vorlagen, dem das Kind zugesprochen wurde,“ so Fegert.

Ein Phänomen, das Carola Wilcke nur zu gut kennt: „Mit Konstrukten wie der Bindungsintoleranz hat man sehr viel Elend zum Nachteil von Kindern geschaffen,“ sagt Wilcke. Rund 1.000 Frauen hat die Sozialpädagogin und Pflegemutter in den letzten zehn Jahren persönlich beraten, und in jedem Beratungsgespräch viel dieses eine Wort: „Bindungsintoleranz wird als Totschlagargument an Familiengerichten benutzt, hauptsächlich gegen Mütter und in Konstellationen, in denen Umgangsproblematiken, häusliche Gewalt oder sexueller Missbrauch angezeigt werden. Aus meiner Sicht geht das geschlechtsspezifisch gegen Frauen, die versuchen ihre Kinder zu schützen.“ Doch obwohl sich Wissenschaftler und Experten in den letzten Jahren mehr und mehr zusammenschließen und aufklären über dieses Konstrukt, hört der Zulauf in Carola Wilckes Gruppe nicht auf, im Gegenteil: „Verfechter dieser Theorien kreieren einfach immer neue Wortkonstellationen, um Verwirrung zu stiften und um Wissenschaftlichkeit vorzugaukeln. Ein neuer Begriff ist da zum Beispiel der „TIK“, der „Trennungs-Induzierte-Kontaktabbruch“. Diese speudowissenschaftliche Wortneuschöpfung ist gerade ganz frisch auf dem Markt, im Gebrauch ihrer Nutzer bedeutet sie das gleiche wie die Bindungsintoleranz.“

In einem aktuellen Fall berät Wilcke eine Mutter, deren dreijähriger Sohn nach Missbrauchsvorwürfen durch die Mutter gegen das familiäre Umfeld des Vaters vom Familiengericht in einem Heim untergebracht wurde. „Aus Sicht der Richter hatte die Mutter die Vorwürfe konstruiert, um die Umgänge zu verhindern. Im Verfahren wurde damit gedroht ihr das Sorgerecht zu entziehen, falls sie den Verdacht nicht fallen lassen würde. Aber die Mutter wollte ihr Kind schützen, und hielt nicht den Mund,“ erklärt Wilcke. Das betroffenen Kind wurde daraufhin in Obhut genommen, kam ins Heim und wurde von dort aus zum Vater umplatziert. Die Mutter verlor das Sorgerecht. Der kleine Junge lebt seit inzwischen eineinhalb Jahren bei seinem Vater. Die Missbrauchsvorwürfe konnten nie abschließend aufgeklärt werden. Nach der Umplatzierung musste sich die Mutter ihre Umgänge mit ihrem Kind in einem zähen Ringen erkämpfen, denn das Gericht hatte sie für „bindungsintolerant“ erklärt. In dem Beschluss des Familiengerichts aus Dezember 2022 heißt es: „Die Mutter hat den Umgang des Vaters seit der Trennung und bereits deutlich vor ihrem Misbrauchsverdacht und nun auch weiterhin behindert, ihn mit gravierenden Vorwürfen überhäuft und sich als gänzlich bindungsintolerant erwiesen.“

Begriffe wie „Bindungsintoleranz“, „Eltern-Kind-Entfremdung“ oder auch „Trennungs-Induzierte-Kontaktabbruch“ gehen auf den amerikanischen Kinderpsychiater Richard A. Gardner zurück. Er wurde in den 1990er-Jahren als Gutachter in einigen prominenten Fällen herangezogen, in denen es um Vorwürfe von häuslicher Gewalt und sexuellem Missbrauch ging. US-amerikanische Familiengerichte folgen bereits seit Anfang der 2000er-Jahre Gardners Theorien nicht mehr. Etliche amerikanische Experten vertreten heute die Meinung, dass Gardner seine Theorien erfand, um speziell Mütter bei Vorwürfen zu häuslicher Gewalt und sexuellem Missbrauch vor dem Familiengericht mundtot zu machen. Gardner habe das Ziel verfolgt, den Müttern die Kinder gezielt zu entziehen und sie den Tätern, also den Vätern, zuzuführen. Auch die Schriften von Gardner selbst untermauern diese Sichtweise, hier schreibt er: „Pädophilie kann das Überleben der menschlichen Spezies verbessern, indem sie Fortpflanzungszwecken dient.“ Ob Missbrauch als traumatisch zu bewerten sei, ist aus Gardners Sicht „eine Frage der sozialen Einstellung“. Sexuell missbrauchten Kindern könne geholfen werden, wenn sie lernten, dass „sexuelle Handlungen zwischen Erwachsenen und Kindern nicht allgemein als verwerflich betrachtet“ würden. Die Vereinten Nationen haben Gardners Theorien, „PAS“ und seiner Verwendung in Sorge- und Umgangsrechtsverfahren erst kürzlich einen umfangreichen Bericht gewidmet. Darin kritisieren sie auch die deutschen Familiengerichte: „Mich haben zahlreiche Berichte von Betroffenen erreicht, die alle ein ganz ähnliches Problem beschreiben. Diese Berichte handeln von gravierenden Justizirrtümern, von Kindern und ihren Müttern, deren Aussagen über häusliche Gewalt und Missbrauch vor Familiengerichten nicht ernst genommen wurden. Und das ist keine private Angelegenheit, hier geht es um die Einhaltung der Menschenrechte,“ sagt UN-Sonderberichterstatterin Reem Alsalem.

In wenigen Tagen wird Carola Wilcke ausgezeichnet, und zwar als die „Aufmüpfige Frau des Jahres“. Für die blonde Wilcke ein Meilenstein in ihrem Kampf für Mütter und Kinder. „Unsere Stiftung unterstützt Frauen, die aus der Reihe tanzen und die allein, ohne eine große Organisation im Rücken, etwas bewegen,“ sagt Sigrid Metz-Göckel, die Gründerin der Stiftung aufmüpfige Frauen. Für ihr Treiben hat Carola Wilcke eine klare Motivation: „Ich habe selbst fürchterliche Erfahrungen gemacht am Familiengericht, das massiv in den Lebensweg von meinen Kindern eingreifen wollte, und das ohne jede wissenschaftliche Grundlage. Zum Glück gab es bei uns ein Happy End, meine Kinder durften in meiner Obhut verbleiben und sind inzwischen erwachsen. Aber wir drei mussten da gemeinsam durch, und das hat bei mir den Wunsch wachsen lassen, auch anderen Müttern und Kindern in ähnlichen Situationen zu helfen.“ Eine Haltung die viele Eltern, und vor allem viele Mütter, zu schätzen wissen.

Prof. Dr. Ludwig Salgo, 78 ist Jurist und der Familienrechtsexperte, der sich seit über fünfzig Jahren mit der internationalen Forschungslage befasst. Er ist Seniorprofessor am Fachbereich Erziehungswissenschaften der Goethe-Universität Frankfurt am Main, und berät regelmäßig politische Gremien zum Kindschaftsrecht.

Herr Salgo, steckt unser Familiengerichtssystem in einer akuten Krise?

Ja, wir haben wir es mit einer Krise zu tun, die dringendes Handeln erfordert und deren Umfang nicht überschaubar ist. Es ist in etlichen Fällen gravierendes Unrecht unter Beteiligung der Familiengerichtsbarkeit, der Kinder- und Jugendhilfe, teils auch der Polizei geschehen. Wie viele Betroffene es gibt, ist heute noch gar nicht vollständig abzusehen.

Was genau ist hier passiert?

Fest steht Folgendes: Bis heute nehmen Familiengerichte immer wieder, teils mit Unterstützung der Jugendämter, bestens entwickelnde Kinder, die keinerlei (!) Auffälligkeiten zeigen, gute Schüler sind, in Schul- und Dorfgemeinschaft wie Sportvereinen oder Musikschulen integriert sind, aus intakten Eltern-Kind-Beziehungen heraus. Und das einzig und allein mit der Begründung, dass das Kind einen Umgang mit einem Elternteil ablehnt. Es sind etliche Kinder unterschiedlichen Alters aus ihrem Lebensumfeld herausgerissen worden, gegen ihren Willen und gegen den Willen ihrer Hauptbezugsperson, meist der Mutter. Diese Kinder wurden auf Anordnung des zuständigen Familiengerichts und häufig mit Unterstützung von Gerichtsvollzieher, Polizei und Jugendamt umplatziert, also an ihnen und ihren Müttern unbekannte Orte verbracht. Dabei ist es zum Teil auch zum Einsatz von unmittelbarer körperlicher Gewalt gegen Kinder und Jugendliche gekommen, ja es wurden auch Rammen zum Aufbrechen von Haustüren eingesetzt. Der Einsatz von Gewalt war von Familiengerichten ausdrücklich genehmigt worden. Und das, obwohl das Gesetz ausdrücklich die Anwendung staatlicher Gewalt verbietet wenn das Kind herausgegeben werden soll, um das Umgangsrecht auszuüben.

Wie bewerten Sie das?

Hier sind massiv die Grundrechte dieser Kinder und ihrer Hauptbezugsperson, meistens die der Mütter, verletzt worden. Ihre Menschenwürde wurde missachtet, genauso wie ihre Persönlichkeitsrechte.

Nach der in- und ausländischen Forschungslage liegt bei Umgangsverweigerung möglichweise ein Problem, aber keinesfalls eine erhebliche Kindeswohlgefährdung – wie diese Entscheidungen unterstellten – vor, die eine solche Vorgehensweise des Staates rechtfertigen könnte. Dass unter solchen Umständen, die als Unrecht bezeichnet werden müssen, einzelne Mütter keinen anderen Weg sahen als mit dem Kind untertauchen zu müssen, ist ebenso nachvollziehbar wie die Flucht von dazu fähigen Kindern aus Einrichtungen.

Diesen Fakten müssen wir uns jetzt erstmal stellen. Und dann müssen wir schauen, wie wir als Gesellschaft und als Staat damit umgehen. Wir werden dieses Unrecht nicht vollständig heilen können. Aber wir könnten es zumindest teilweise wieder reparieren, in dem wir aus den gemachten Fehlern lernen.

Wie konnte es so weit kommen?

Seit rund 20 Jahren werden Begriffe wie „PAS“, „Entfremdung“, „Bindungsintoleranz“ oder auch „Eltern-Kind-Symbiose“ zunehmend in familiengerichtlichen Verfahren in Deutschland verwendet. Und seitdem ist die renommierte Fachwelt im In- und Ausland hier intensiv bemüht, vor diesen erheblichen Fehleinschätzungen zu warnen und deutlich das sogenannte „Parental Alienation Syndrom“ (PAS) als wissenschaftlich nicht haltbar zurückzuweisen. Wir haben es hier einem Mythos zu tun, von fundierten und wissenschaftlichen Begriffen oder gar von einer Diagnose lässt sich nicht sprechen. Seit Langem schon gibt es also Warnungen aus der Fachwelt zu diesen Begriffen und deren Verwendung an Familiengerichten.

Die – eigentlich immer dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit unterworfene – Staatsgewalt glaubt hier aber trotzdem in einigen Fällen mit seinem ganzen Machtapparat reagieren zu müssen. Einzelne Familiengerichte als Organe des Staatlichen Wächteramts kamen zur „Erkenntnis“, dass sie zum sofortigen Handeln verpflichtet seien, einzig und allein aus einem Grund, dass Kinder und Jugendliche den Umgang mit einem Elternteil verweigerten.

Nochmals: Es muss hier im Interesse von Familien und Kindern vor Verwendung dieser Begriffe in der behördlichen wie in der familiengerichtlichen Praxis, vor deren Deutungs- und Handlungsempfehlungen deutlich gewarnt.

Was sagt die aktuelle Rechtslage?

Das Bundesverfassungsgericht hat aktuell beschlossen, dass „Eltern-Kind-Entfremdung“ und „PAS“ als Begründung nicht ausreichen, um ein Kind aus seinem gewohnten Umfeld herauszureißen. Das Gericht hat vor kurzem auch festgehalten, dass Begriffe wie diese als „überkommen“ zu betrachten sind, für die es keine hinreichenden fachwissenschaftlichen Belege gibt. Das Kindeswohl muss nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts unabhängig von solchen Begrifflichkeiten sorgfältig in jedem Einzelfall geprüft werden. Das war ein wegweisender und wichtiger Beschluss.

Was folgt aus dieser gerichtlichen Entscheidung für Sie?

Umplatzierungen oder Umgangsregelungen, die auf Grundlage von „PAS“, „Bindungsintoleranz“ oder ähnlichen Begrifflichkeiten gefallen sind, müssen jetzt von Amtswegen überprüft werden. Und dann müsste man in einigen Fällen sicherlich zu dem Ergebnissen kommen, dass hier massive Grundrechtseingriffe aufgrund von Fehlannahmen getroffen worden sind. Es gibt – Stand heute – auch einige Mütter, die aufgrund solcher Urteile in die Illegalität gegangen sind, um der Umplatzierung ihrer Kinder unter Zwang zu entgehen. Diesen Menschen ist Unrecht geschehen und es kann nicht sein, dass das so einfach stehen bleibt. Den Familiengerichten stehen in solchen Konstellationen in Überprüfungsverfahren Mittel und Wege zu sofortiger Abänderung zu. Auch und gerade hier muss jeder Fall penibel und sensibel untersucht werden. 

Wie könnte eine Lösung aussehen?

Wenn der Staat einen Fehler macht, dann muss er aus meiner Sicht auch dazu stehen. Irren ist menschlich, aber im Irrtum zu Verbleiben und keine Wiedergutmachung leisten zu wollen, das wäre aus meiner Sicht unverzeihlich. Hier muss es um eine umfassende juristische Aufarbeitung und eine Widergutmachung gehen. Verfahren, die schief gelaufen sind, müssen von Amts wegen wieder aufgemacht werden. Diesen Kindern und diesen Eltern müsste man von staatlicher Seite mit Entschädigungsmaßnahmen entgegenkommen.

An wen richten Sie Ihre Kritik?

Das Bundesjustizministerium hätte hier klug und angemessen reagieren müssen, ohne in die richterliche Unabhängigkeit einzugreifen. Hierfür steht es aus meiner Sicht in der Verantwortung. Es hätte frühzeitig völlig unabhängige Gutachten mit in- und ausländischer Expertise einholen müssen, und dieses Wissen in vielfältiger Form an die unabhängige Justiz weiterleiten müssen. Das ist über Jahre bis heute nicht passiert, und so hat sich dieses Phänomen in Behörden und bei Familiengerichten mehr und mehr eingeschlichen und ausgebreitet.

Was müsste sich konkret rechtlich ändern?

Ich rechne noch vor dem Beginn der Sommerferien mit dem Referentenentwurf zur Kindschaftsrechtsreform aus dem Bundejustizministerium. Der Minister hatte zunächst angekündigt hier das Wechselmodell, also die hälftige Aufteilung der Kinder zwischen Eltern, als gesetzliches Leitbild einführen zu wollen. Das halte ich im Zusammenhang mit der aktuellen Diskussion für absolut abwegig. Das Wechselmodell kann kein Leitmodell im deutschen Kindschaftsrecht werden, das flächendeckend gegen den Willen von Betroffenen angeordnet wird. Außerdem brauchen wir – wie sich an dieser Fehlentwicklung gezeigt hat – dringend die Umsetzung umfassender Qualifikation für Richterinnen und Richter an Familiengerichten, wie es das Gesetz seit 2022 bereits fordert, die Umsetzung passiert leider nicht flächendeckend. Das sind Versäumnisse, denn nur gut qualifizierte und Richter und Richterinnen können natürlich erkennen, falls sich kinderfeindliche Begriffe in Schriftsätzen und Gutachten einschleichen. Nur ein „wissender Richter“ kann als solcher seine unverzichtbare Unabhängigkeit wahren.

Über die Autorin:

Als Diplom-Journalistin und Absolventin der RTL- Journalistenschule legt Jessica Reitzig schon immer gerne ihre Finger in die Wunde. Sie ist da, wo die Wenigsten gerne sein wollen: Im Plattenbau eines sozialen Brennpunkts, in der Zelle einer Justizvollzugsanstalt oder im Therapieraum einer Entzugsklinik. Diese beruflichen Erfahrungen verbindet sie mit ihrer großen Leidenschaft, der Politik. Sie ist Ratsfrau ihrer Heimatstadt, Vorsitzende im Jugendhilfeausschuss und Stadtverbandsvorsitzende der CDU.

Ihr Thema: Die Kinderrechte! Als Sie in 2020 angefangen hat zum Thema Kinderschutz und Kinderrechte zu recherchieren, war da zunächst Wut. Warum treten so viele Verantwortliche Kinderrechte mit Füßen? Warum üben Richter, Jugendamtsmitarbeiter und Polizisten Gewalt gegen Kinder aus? Ich wollte es verstehen, die Hintergründe begreifen. Sie wollte wissen, warum Kinder keine Lobby haben, und wie sie das ändern kann.

Im Zweifel gegen das Kind

Kinderschutz-Expertin Sonja Maria Howard und die Journalistin Jessica Reitzig beleuchten in ihrem Buch „Im Zweifel gegen das Kind“, wie Familiengerichte, Jugendämter und Polizei in Deutschland die Kinderrechte immer öfter mit Füßen treten. In acht Fällen dokumentieren sie diese institutionelle Gewalt. Aus unserer Beratungspraxis wissen wir, dass dies auch in Österreich genau so passiert: Kinder werden zum Beispiel per Gerichtsbeschluss von ihrer Hauptbezugsperson getrennt.

Jessica Reitzig: „Und viel zu oft zählt der Wille, den etliche der betroffenen Kinder klar äußern, dann nicht.“

Sonja Howard bringt ein Beispiel: „Ich habe hier vor mir ein Foto von einer Mutter mit einer ausgeschlagenen Zahnreihe liegen, von ihrem Ehemann zugefügt und dokumentiert in der Klinik. Das Kind sagt in der Anhörung, dass es nicht zum Vater möchte, weil es die Gewalt mitbekommen und Angst hat. Das Gericht aber überträgt das Sorgerecht auf den Vater, weil es sagt, die Mutter sei bindungsintolerant, sie würde das Kind manipulieren. In dem Moment, wo ein Richter so ein Urteil fällt, ist das staatliche Kindeswohlgefährdung.“

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