Unterhaltsgarantie
Ziel einer Unterhaltsgarantie
Die Kinderarmut in Österreich zu beenden – denn über die Hälfte der Kinder, die in Österreich in Armut oder Ausgrenzung leben, sind Kinder von Alleinerzieher*innen!
Das Modell der Unterhaltsgarantie
Österreich ist eines der reichsten Länder der Welt. Trotzdem steht es bei Armut und Ausgrenzung von Kindern von Alleinerzieher*innen europaweit an der Spitze! Kinder von Alleinerzieher*innen sind daher die Bevölkerungsgruppe in Österreich, die am häufigsten von Armut oder Ausgrenzung betroffen ist. Hauptgründe sind fehlender oder zu niedriger Kindesunterhalt: Nur die Hälfte der Kinder bekommt Unterhalt vom Vater und wenn, dann auch nur in geringer Höhe (etwa ein Drittel der Kinderkosten). Außerdem sind die Kinderkosten bei Alleinerzieher*innen fast doppelt so hoch wie in Paarfamilien, weil bei einem Ein-Eltern-Haushalt der Bedarf an Wohnfläche nur geringfügig weniger wird, die Kosten aber nur mehr von einer/ einem Erwachsenen getragen werden müssen. Meist ist das Umziehen in eine günstigere Wohnung ohnehin nicht möglich, da die Kosten für den Umzug zu hoch wären oder ein neuer Mietvertrag bei kleinerer Wohnfläche teurer wäre. Zusätzlich macht vielen Alleinerzieher*innen die hohe Inflationsrate zu schaffen. Sie haben ein geringes Einkommen und müssen daher prozentuell besonders viel für die Deckung der Grundbedürfnisse wie Wohnen, Lebensmittel und Heizung / Strom ausgeben. Diese Bereiche zeigen eine besonders hohe Inflationsrate. Die Unterhaltszahlungen bzw. Ersatzleistungen hinken jedoch den Gehaltssteigerungen hinterher. Die Armuts- und Ausgrenzungsgefährdung der Kinder von Alleinerzieher*innen steigt deshalb seit Jahren – wir erwarten einen weiteren Rekord für das Jahr 2023!
Im Gesetz ist vorgesehen, dass der hauptbetreuende Elternteil durch seine Care-Arbeit bereits durch seine Leistung zum Naturalunterhalt für die Kinder beiträgt. Dieser Elternteil, in der Regel die Mutter, sollte also keine weiteren Kosten tragen müssen. Bei Paarfamilien sind die Kinderkosten bereits durch staatliche Familienleistungen großteils abgedeckt. Bei Alleinerzieher*innen ist das nicht so: sie bekommen nicht nur kaum Kindesunterhalt, auch der Familienbonus wandert meist zum Vater. Nur eines von fünf Kindern, das keinen Kindesunterhalt und keine Halbwaisenpension bezieht, bekommt Unterhaltsvorschuss. Grund sind die restriktiven Voraussetzungen, die den Großteil der Kinder vom Bezug ausschließt. Dass vielen Kinder kein Unterhaltsvorschuss zusteht, ist bereits seit 1977 bekannt, wenige Monate nachdem der Unterhaltsvorschuss eingeführt wurde. Schon damals wurde festgestellt, dass es eine Sozialleistung braucht, die bis heute auf sich warten lässt!
Kindesunterhalt oder Ersatzleistungen in Prozentzahlen der Kinder:
Kindesunterhalt vom Vater: 51%
Halbwaisenrente: 4%
Unterhaltsvorschuss: 10 %
Weder Kindesunterhalt noch Ersatzleistungen: 36%
Deshalb ist über die Hälfte der Kinder von Alleinerzieher*innen (54%) von Armut oder Ausgrenzung betroffen:
Wahrscheinlich nicht von Armut betroffen
Von Armut oder Ausgrenzung betroffen: 54% der Kinder von Alleinerzieher*innen
Wir fordern deshalb eine staatliche Unterhaltsgarantie, die jedem Kind einer Alleinerzieher*in soziale Teilhabe ermöglicht: Durch Aufstockung des Kindesunterhalts oder der Ersatzleistungen, sowie der bestehenden Familienleistungen auf die durchschnittlichen Kinderkosten. Für die Kinderkosten sollen die mit der Inflationsrate valorisierten Kosten von Kindern in Ein-Elternhaushalten je nach Altersgruppe herangezogen werden, die von der Statistik Austria in der Kinderkostenanalyse 2021 berechnet wurden:
Wie ist der Kindesunterhalt in Österreich geregelt?
Das Gesetz in Österreich sieht im § 231 ABGB vor, dass bei getrennten Eltern der Elternteil, bei dem das Kind nicht wohnt, Geldunterhalt leistet. Man nennt diesen Elternteil auch den „Geldunterhaltspflichtigen“. Der andere Elternteil, der den Haushalt führt, in dem er das Kind betreut, leistet dadurch seinen Beitrag. Das bedeutet, dass eine Art Anrechnung der Care-Arbeit gesetzlich verankert ist. Über die genaue Höhe des Geldunterhalts steht nichts Konkretes im Gesetz.
Der geldunterhaltspflichtige Elternteil muss „zur Deckung der seinen Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnisse des Kindes unter Berücksichtigung seiner Anlagen, Fähigkeiten, Neigungen und Entwicklungsmöglichkeiten nach seinen Kräften beitragen“. Der betreuende Elternteil hat nur dann Kosten zu übernehmen, wenn „der andere Elternteil zur vollen Deckung der Bedürfnisse des Kindes nicht imstande ist oder mehr leisten müsste, als es seinen eigenen Lebensverhältnissen angemessen wäre.“ Das bedeutet, dass in der Regel der gesamte Geldbedarf vom Geldunterhaltspflichtigen gedeckt sein muss, außer, er ist dazu nicht in der Lage, zum Beispiel aufgrund einer Arbeitsunfähigkeit oder das Kind würde dadurch in weit besseren Verhältnissen leben als er selbst. (Optisch hervorheben!) Außerdem müssen beide Elternteile ihre Möglichkeiten ausschöpfen um ihrer Unterhaltsverpflichtung nachzukommen (Anspannungsgrundsatz). Damit ist gemeint, dass Eltern nicht beschließen können, freiwillig Teilzeit zu arbeiten oder ihren Job kündigen können, um weniger Unterhalt zu zahlen.
Diese sehr wagen Bestimmungen haben zur Folge, dass die Bemessung des Kindesunterhalts immer individuell gehandhabt wird. Allerdings hat sich durch die Rechtsprechung eine sehr fixe Struktur ergeben: Der Kindesunterhalt wird nach der sogenannten Prozentsatzmethode berechnet. Demnach steht jedem Kind zwischen 16% – 22% des Nettoeinkommens des Geldunterhaltspflichtigen zu, je nach Alter, wenn er leistungsfähig ist. Abschläge gibt es, wenn der Geldunterhaltspflichtige andere Unterhaltsverpflichtungen hat. Außerdem gibt es Zusatzzahlungen, wenn die Ausgaben für ein Kind über das „normale“ Maß hinaus gehen und das Kind nicht mehr als den sogenannten Regelbedarf an Unterhalt bekommt. Man nennt das Sonderbedarf. Was zum Sonderbedarf zählt, wird einerseits individuell festgelegt, andererseits wiederum durch die Rechtsprechung.
Während es keinen Mindestunterhalt gibt, ist der Kindesunterhalt nach oben mit der sogenannten „Playboygrenze“ gedeckelt. Der Sonderbedarf wird nicht zugestanden, wenn das Kind mehr als den Regelbedarf bezieht. Die Playboygrenze bedeutet, dass ein Kind nicht mehr Unterhalt als diese Grenze bekommen soll. Sie berechnet sich je nach Alter mit dem doppelten oder 2,5-fachen Regelbedarf. Der Regelbedarf sollte eigentlich auf der von der Statistik Austria publizierten Kinderkostenanalyse basieren, das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien, das für die Veröffentlichung des Regelbedarfs zuständig ist, ist dieser Pflicht allerdings nicht nachgekommen und hat diese Werte weit niedriger angesetzt. (Optisch hervorheben!) Wie bereits erwähnt, steht Sonderbedarf nur zu, wenn das Kind nicht mehr als den Regelbedarf bekommt.
Kindesunterhalt und Kinderkosten
Wie wir gesehen haben, sollte der Kindesunterhalt die Kinderkosten zur Gänze abdecken. Die Unterhaltsbefragung der Statistik Austria 2021 hat ergeben, dass lediglich die Hälfte der Kinder in Österreich Kindesunterhalt von ihrem Vater bekommt (51%). Der Unterhalt, der von diesen Kindern bezogen wird, liegt weit unter den Kinderkosten, die von der Statistik Austria 2021 in der Kinderkostenanalyse berechnet wurde: Im Schnitt bekamen die Kinder 304 EUR Kindesunterhalt im Monat, während sich die Kinderkosten im Schnitt auf 900 EUR pro Monat beliefen. Valorisiert mit dem Verbraucherpreisindex betragen die Kinderkosten 2023 bereits 1.005 EUR pro Monat. Die Kosten wurden 2021 also nur zu einem Drittel gedeckt. Während die Kinderkosten bei Paarhaushalten vor allem bei den unter 14-jährigen Kindern laut WIFO durch die niedrigeren Kinderkosten und höhere Familienleistungen zu 66% vom Staat gedeckt waren, sind sie bei den Alleinerzieher*innen nur zu 36% durch staatliche Leistungen abgedeckt.
Warum bekommen so viele Kinder zu wenig oder keinen Unterhalt?
Das hat viele Gründe. Wenn der Geldunterhaltspflichtige unselbstständig erwerbstätig ist, so hat das Kind die besten Chancen auf ausreichend Unterhalt: Der Unterhalt kann relativ einfach berechnet werden. Jedoch halten sich nicht alle Unterhaltszahler*innen an die Abmachung: ca. 10% der Kinder bekommen laut Unterhaltsbefragung weniger Unterhalt als ihnen zusteht. Schwieriger ist es für Kinder von Unternehmer*innen: Das selbstständige Einkommen kann relativ leicht so berechnet werden, dass es unter dem Niveau der Pfändungsmöglichkeiten liegt. Bei den Kindern, die keine Leistungen beziehen, ist der häufigste bekannte Grund, dass der betreuende Elternteil Unstimmigkeiten mit dem Geldunterhaltspflichtigen vermeiden will. Sie sind also direkte Opfer finanzieller Gewalt.
Eine Trennung kann aber auch für den Geldunterhaltspflichtigen teuer sein, nämlich dann, wenn er nicht mehr in einer Lebensgemeinschaft lebt, sondern allein. Eltern, die in Niedriglohnsektoren arbeiten oder aufgrund gesundheitlicher oder anderer Probleme nicht Vollzeit arbeiten können, können nur geringen Geldunterhalt leisten.
Aufgrund aktueller Rechtsprechung kann der Kindesunterhalt bei erhöhter Betreuung durch den Geldunterhaltspflichtigen verringert werden. Das bedeutet, dass zwar annähernd die gleichen Kosten beim betreuenden Elternteil anfallen (die Miete, Kleidungsbedarf etc. verringert sich durch die häufigere Betreuung nicht), jedoch weniger Kindesunterhalt geleistet wird.
Hinzu kommt auch noch die Hälfte aller Halbwaisen, denen keine Halbwaisenrente zusteht, weil das verstorbene Elternteil zu wenige Pensionsjahre zum Zeitpunkt des Todes am Pensionskonto hatte.
Warum sollte der Staat für die Säumigkeit der Eltern aufkommen?
Österreich hat sich im Rahmen der Agenda 2030 zum Ziel gesetzt, Armut in allen Formen zu beenden. Da die Hälfte aller Kinder in Österreich, die von Armut oder Ausgrenzung betroffen sind, Kinder von Alleinerzieher*innen sind und die Gründe dafür bekannt sind, ist die Unterhaltsgarantie die zielgerichteste Maßnahme, um Kinderarmut zu bekämpfen. Kinderarmut ist ein gesellschaftliches Problem. Es sollte auch im Sinne des Generationenvertrags nicht darum gehen, eine*n Schuldige*n zu suchen, sondern vielmehr darum, wie man den betroffenen Kindern helfen kann, damit sie in Würde groß werden können.
Abdeckung der Kinderkosten bei Kindern von Alleinerzieherinnen durch Unterhalt oder Ersatzleistungen
Quellen
- Kinderkostenanalyse 2021, Statistik Austria: https://statistik.gv.at/fileadmin/pages/339/Kinderkostenanalyse_2021_MethodischeLangfassung.pdf
- Kinderkosten und monetäre Familienleistungen im Vergleich, BMSGPK: https://www.sozialministerium.at/dam/jcr:dd4bd97e-5833-4474-a35a-5a784d849a13/Synthesepapier%20Kinderkosten%20und%20Familienleistungen%20im%20Vergleich.pdf
- Monetäre Familienleistungen für unterschiedliche Haushaltskonstellationen 2021, Marian Fink, Silvia Rocha-Ak, BMSGPK: https://www.sozialministerium.at/dam/jcr:39db9ef9-1f15-44c3-859b-7bce2f821d97/Familienleistungen_Haushaltskonstellationen_WIFO_Endbericht.pdf
- Unterhaltsbefragung 2021, Statistik Austria: https://www.statistik.at/fileadmin/publications/Ergebnisbericht_Unterhaltsbefragung.pdf
- Direkte und indirekte Kinderkosten in Österreich, Alois Guger, WIFO: https://www.wifo.ac.at/jart/prj3/wifo/resources/person_dokument/person_dokument.jart?publikationsid=24553&mime_type=application/pdf
- Kinder als Karriereknick für Frauen in Österreich, Österreichische Akademie der Wissenschaften: https://www.oeaw.ac.at/news/kinder-als-karriereknick-fuer-frauen-in-oesterreich
- The Subjective Cost of Young Children: A European Comparison; Sonja Spitzer, Angela Greulich, Bernhard Hammer: https://link.springer.com/article/10.1007/s11205-022-02942-5
Kinderarmut beenden: Unterhaltsgarantie jetzt!
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